28. März 2024

Bargeldlos in Berlin

Nach den Berichten aus Wrocław, Brüssel und Den Haag ist jetzt mal eine deutsche Touristenmetropole an der Reihe. Da ich fünf Jahre in Berlin gelebt habe, glaube ich zu wissen, wo man ohne Bargeld willkommen ist und wo nicht. Von daher ist der Bericht natürlich etwas anders zu werten als die Vorgänger.

Die Anreise

Wie meistens, bin ich mit der Bahn unterwegs. Die Reise beginnt mit Bus und Stadtbahn der KVB. Das Ticket (+City) ist im Preis der Zugfahrkarte enthalten. Diese war ein wirkliches Schnäppchen. Für 43,50€ (Preis mit BahnCard 25) reise ich hin mit dem ICE und zurück mit dem IC in der 1. Klasse. Die beiden Sitzplatzreservierungen sind ebenso enthalten, wie die City-Optionen für Berlin und Köln. Das Ticket habe ich online gekauft und als Passbook-Ticket in der Apple Wallet abgelegt.

Am Kölner Hauptbahnhof angekommen, führte der Weg zunächst zum McDonalds. Da die Easy-Order-Terminals um die Uhrzeit nicht aktiv waren, habe ich an der Kasse bestellt. Für 2,99€ gab es einen Kaffee und einen McMuffin Sausage TS. Meiner Meinung nach eines der besten Produkte von McDonalds, das es leider nur zu Frühstückszeiten gibt. Den Betrag habe ich mit Apple Pay (Boon Debit MasterCard) beglichen. Das löst inzwischen keinerlei Erstaunen mehr in dieser Filiale aus.

Noch interessant zu wissen: Die Firma Selecta hat vor wenigen Tagen an vielen Stellen im Bahnhof neue Verkaufsautomaten aufgestellt. Diese akzeptieren kontaktlose Kartenzahlung.

Im Zug

Wie hinlänglich bekannt, lesen die Mitarbeiter an Bord mit ihrer Kasse den Magnetstreifen aus. Eine Zahlung ist nur mit Kreditkarten möglich. Meinen Kaffee Creme (3,20€) durfte ich heute allerdings dennoch bar bezahlen. Wie so häufig, gab es mit der Bordgastronomie Probleme. Heute wurde kein Essen angeliefert und die Kasse streikte obendrein.

Der öffentliche Nahverkehr in Berlin

Der öffentliche Nahverkehr innerhalb Berlins wird zum größten Teil von der BVG und der DB-Tochter S-Bahn Berlin erbracht. Beide Betreiber akzeptieren an ihren Automaten für Verbundtickets GeldKarte, girocard und Maestro. Hier fängt der Ärger eigentlich schon an: Touristen aus Ländern ohne Maestro-Ausgabe dürfen zum Bargeld greifen oder aber am Schalter mit Kreditkarte eine Fahrkarte kaufen.

Bei der BVG geht der Ärger weiter: Die gelben Automaten in den U-Bahnhöfen und an einigen Tramhaltestellen sind leider ziemlich veraltet und langsam. So dauert selbst eine komplett offline durchgeführte Zahlung mit der GeldKarte eine gefühlte Ewigkeit.

In Bussen und Straßenbahnen herrscht dazu Bargeldzwang. Die Automaten in den Trams nehmen nur Münzen an und die Busfahrer führen auch nur eine übersichtliche Menge Wechselgeld mit.

Die Situation wird wohl auch noch eine Weile andauern. Ein laufendes Projekt wurde wegen der Insolvenz des Automatenherstellers gestoppt. Eine erneute Ausschreibung benötigt aber Zeit, da die technischen Vorgaben an die Gegenwart angepasst werden müssen. Hier bleibt zu hoffen, dass die neuen Geräte dann NFC-Leser bekommen.

Glücklicherweise gibt es in Berlin eine ganze Reihe von Optionen, um per Handy Tickets für den ÖPNV zu kaufen. Neben der BVG-App, dem BVG-Webshop und (neu) dem DB-Navigator, sind die meisten VBB-Tickets auch über die App von HandyTicket Deutschland beziehbar. Der Vorteil hier: Man muss sich nicht bei 30 verschiedenen Verkehrsbetrieben registrieren und  jeweils dort Zahlungsdaten hinterlegen. Auch in unterschiedlichen Regionen gelöste Tickets erscheinen in der Abrechnung zusammen. Den Vertrieb von VBB-Tickets übernimmt interessanterweise die kleine Oberhavel Verkehrsgesellschaft.

Ich habe mich für ein Tagesticket der Preisstufe AB zu 7,00€ entschieden. Die Bezahlung in der App funktioniert mit der dort hinterlegten MasterCard. (monatliche Abrechnung).

Bei aller Kritik an der BVG was das Thema Automaten und Payment angeht: Für 7€ bekommt man eine ganze Menge an Leistung geboten. Dichter Takt bis spät in die Nacht auch am Wochenende, durchgehender Nachtverkehr an sieben Tagen und ein Tarifgebiet das von Staaken im Westen bis Köpenick im Osten reicht. Für nur 60 Cent mehr, erweitert sich dieses noch um den Tarifbereich Berlin C, zu dem neben Potsdam bspw. auch Strausberg, Woltersdorf und Schöneiche gehören. Da kann man nicht meckern.

Mittagessen im Rizz (Kreuzberg)

Die erste Fahrt mit der BVG führte nach Kreuzberg in den Graefekiez ins Café Rizz. Dort war ich mit @MaxFassbrause zum Essen verabredet. Als nicht ganz echter Kölner gab es ein paar Gaffel Kölsch zum Frühstück, gefolgt von einem hervorragenden Hirschgulasch. Weil das kalorientechnisch noch nicht genug war, hat uns die Wirtin Birgit noch mit der hauseigenen Rizz-Torte vollends den Rest gegeben 😉

Das war mein zweiter Besuch dort. Das Rizz ist eine Empfehlung von @tmmd, mit dem ich beim ersten Mal im August dort war. Insbesondere für Fussballfans ist das Rizz ein Eldorado. Auf zwei Leinwänden kann man die Spitzenspiele der nationalen und europäischen Ligen verfolgen. Dank Birgits Social-Media-Aktivitäten auf Twitter (@caferizz) und Facebook steuern viele Fans auch von außerhalb gezielt die Grimmstraße an.

Wo viele Menschen aus dem In- und Ausland zusammenkommen sollte man meinen, dass Kartenzahlung eine Selbstverständlichkeit ist. Tatsächlich ist das Rizz aber einer der wenigen Läden in der Ecke, die überhaupt Karten annehmen (girocard, Maestro, V-Pay, MasterCard, VISA).

Logisch also, dass Torsten, Max und ich hier nicht zum letzten Mal gewesen sein werden.

Der Weg zum Hotel

Ausnahmsweise übernachte ich mal nicht in einem Haus der Accor-Gruppe, sondern im NH City Ost in Lichtenberg. Der Weg dorthin führte vom U-Bahn Kottbusser Tor über die jüngst in Verruf geratene Warschauer Str. Auf der Brücke vom Bahnhof zur Tram hätte ich mich problemlos mit allen möglichen pharmazeutischen Erzeugnissen eindecken können. Aber komischerweise hatte keiner der Herren ein Kartenlesegerät dabei, so dass der heutige Abend wohl eher mit Cocktails versüßt wird.

Das Hotel selbst liegt in einer eher ruhigen Seitenstraße von der Frankfurter Allee.

Schnelles Shopping im Ring Center

Da das Ring Center mit seinen mittlerweile drei Gebäuden nur wenige Fußminuten entfernt lag, habe ich mich für einen kleinen Shopping-Ausflug entschieden. In einer Mall, so sollte man seinen, ist bargeldlose Zahlung kein Problem. Leider nicht in einer deutschen Mall. Inklusive McDonalds akzeptieren nur die wenigsten Schnellgastronomen Karte. Ausnahmen: Nordsee (girocard) und Dunkin´ Donuts (alle Karten).

Umso erstaunter war ich, dass der Scoom-Kiosk im U-Bahnhof Frankfurter Allee inzwischen ein kontaktloses Kartenterminal auf der Theke stehen hat. Im Bahnhof Alexanderplatz wirbt Scoom sogar mit JCB und CUP-Akzeptanz. So sollte es eigentlich überall laufen.

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Zunächst habe ich noch schnell eine Jeans im Kaufhof erstanden. Gelegenheit, hier zum ersten Mal mit Payback Pay zu bezahlen und 150 Zusatzpunkte (1,50€) mitzunehmen. Aber was sag ich: Neuer Händler, neue Ux. Der Herr an der Kasse hat meinen Barcode gescannt und es passierte erst einmal nichts. Danach hat er die Taste Payback Pay an seiner Kasse betätigt und es passierte: Wieder nichts. Nur durch Zufall habe ich im Display des kontaktlosen Kartenterminals den Hinweis entdeckt: „Zahlung mit Payback Pay. Bitte Betrag mit OK bestätigen“. Nachdem ich die Taste gedrückt habe, dauerte es keine zwei Sekunden mehr und der Kassenbon wurde gedruckt.

Anschließend habe ich noch zwei drei Teile im Kaisers Supermarkt geholt und mit girogo bezahlt. Selbst am Backwarenstand gibt es ein H5000-Terminal. Zwei Amerikaner (1,98€) konnten auch hier problemlos bezahlt werden. Da das mit girogo alles so schnell ging, hatte die junge Dame am Backwarenstand dann auch direkt den Kugelschreiber zur Hand. Das mit der Unterschrift konnte ich ihr mit dem Hinweis auf kontaktlose Zahlung ausreden. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt: Kaisers akzeptiert natürlich auch die kontaktlose Bezahlung mit PayPass und Paywave.

Der Abend

Da man in Berlin ja nie weiß, in welcher Kneipe man versackt, habe ich mir zunächst etwas Bargeld in einer Automatenfiliale der Berliner Sparkasse am Hackeschen Markt gezogen. Um zum Automaten vorzudringen musste ich erst einmal über eine Reihe von Menschen steigen. Einige haben sich dort kurzzeitig zum Aufwärmen niedergelassen, wieder andere scheinen die Automatenhalle als Wochenendwohnsitz zu nutzen. Sie lagen auch um 2 Uhr morgens noch dort.

Ich war im QBA auf der Oranienburger Str. verabredet. Schon vor meiner Berliner Zeit (2006-2011) war ich häufig dort. Obwohl der Laden inmitten vieler 08/15 Tourischuppen liegt, ist er ein echtes Kleinod. Selbst der damalige Ministerpräsident von Baden-Württemberg Oettinger saß schon hier und hat sein Bier unterhalb eines riesigen Che Guevara-Wandbildes getrunken.

Empfehlenswert: Der Mojito (Weltklasse). Ehrlich überrascht war ich, dass der Wirt mich nach so vielen Jahren wieder erkannt hat und mich mit Handschlag und der Frage „Bist Du ausgewandert?“ begrüßt hat 😉

Das QBA hat immer schon sämtliche Karten akzeptiert. Da es aber schon spät war und es gerade passte, habe ich den zuvor abgehobenen Betrag in Bar dort gelassen. Passt schon.

Das Nachtleben

Auf dem Weg zum QBA bin ich an einer ganzen Reihe von neuen und alten Bars und Restaurants vorbeigelaufen. Der Trend geht hier seit Jahren eindeutig weg vom urigen oder ranzigen DDR-Charme, der lange Jahre die Gegend dominierte.

Stattdessen sieht man heute fast überall den gleichen Einheitslook. Die größeren Läden haben die bekannten Akzeptanzsticker in der Türe kleben. Klar, man richtet sich vornehmlich an Touristen. Kleinere Imbisse kommen anscheinend immer noch ohne Kartenakzeptanz aus. Da wünscht man sich einfach, dass ein paar mehr englische Touristen ihre Falafel im Laden stehen lassen, weil man nur Bargeld akzeptiert. Aber für die sind wir wahrscheinlich nur die „Silly Germans“ die sich nicht an die Neuzeit gewöhnen und machen den Spuk einfach mit.

Wer unbeschwert im Berliner Nachtleben unterwegs sein möchte, der sollte eine Menge Bares dabei haben. Kneipen und Clubs wie bspw. die Kulturbrauerei, Rosies, Astra Kulturhaus etc. verschmähen fast ausnahmslos die bargeldlose Zahlung. Angesichts der gestiegenen Gewalt gerade um die Warschauer Str. herum keine tolle Sache. Aber in Deutschland wird mangels Fiskalkassenpflicht einfach immer noch zu viel Geld in der Gastronomie an der Steuer vorbei verdient.

Angesichts des wenigen Schlafs in der Nacht zuvor, habe ich darauf verzichtet weitere Feldversuche am Abend zu unternehmen 😉

Der Sonntag

Dank des „Lazy Sunday“ genannten Late-Checkouts im Hotel habe ich erst einmal ausgeschlafen und bin dann mehr oder weniger direkt zum Hauptbahnhof gefahren.

Fazit

Wie auch schon in der Einleitung erwähnt, fiel es mir dieses Mal besonders schwer, zu einer fairen Bewertung zu gelangen. In einer deutschen Stadt greifen halt sofort die bekannten Mechanismen: Kleben an der Tür Akzeptanzsticker? Steht vielleicht ein Terminal neben der Kasse? Was sagt Foursquare? Im Zweifelsfall gehe ich dann lieber zu Starbucks als in das nette schnuckelige Café an der Ecke.

Insgesamt kann man aber zusammenfassen: Zumindest mit einer girocard im Portemonnaie wird man, auch in netten kleinen Cafés in Prenzlauer Berg, weder verhungern noch verdursten, solange man sich auf Mindestumsätze einlässt. Auf den Touristenmeilen akzeptieren die Bedienrestaurants und Cocktail-Bars auch alle Karten. Wer aber meint, auf einer Kneipentour jedes einzelne Bier und den Döner zwischendurch mit seiner MasterCard zahlen zu wollen, der sollte besser in den Zug nach Warschau steigen (Drei tägliche Direktverbindungen, Fahrzeit rund fünf Stunden).

Marc-Oliver Schaake

Lotus / IBM / HCL Notes Professional Mag Reisen mit dem Zug, insbesondere mit Nachtzügen Kartenzahler seit 1987

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