28. März 2024

Warum der geplante Bargeldeinzug bei Asylbewerbern in Österreich eine Nebelkerze ist

Dass sich die gerade in Wien formierende neue Regierung unter Beteiligung der FPÖ nicht lange mit irgendwelchem populistischen Unsinn Zeit lassen würde, war eigentlich jedem klar.

Bei einer der ersten Maßnahmen, die es in die Nachrichten nördlich der Alpen geschafft hat, handelt es sich um den geplanten Einzug von Bargeld und die Durchsuchung von Handys von Geflüchteten. Das Geld soll einen Beitrag zur Deckung von Unterbringungskosten leisten. Mit der Durchsuchung von Smartphones, die m.E. gegen jegliche Persönlichkeitsrechte verstößt, erhofft man sich eine sicherere Feststellung der Identität der Geflüchteten.

Beide Forderungen finden auch hierzulande viele Anhänger, zumal sich die Beweggründe auf den ersten Blick erst einmal nachvollziehen lassen: Ein Bürger muss, bevor er Grundsicherung erhält, zunächst sein eigenes Vermögen aufbrauchen. Asylbewerber mit nicht geklärter, oder mehreren Identitäten stellen unsere Sicherheitsbehörden vor große Herausforderungen.

Bereits 2015, auf dem Höhepunkt der Zufluchtswelle, waren die Smartphones im Besitz von Geflüchteten im Übrigen Grund genug für eine, von Populisten angestossene, lachhafte Neiddebatte.

Wer, teils nach Jahre langer Flucht, mehrfach ausgeraubt wurde, Beamte bestechen musste und von Schleppern wie eine Weihnachtsgans ausgenommen wurde, am Ende vielleicht noch 200€ in der Tasche hat, die für ein Bahnticket zu den Verwandten nach Deutschland oder eine warme Winterjacke dienen sollen, wird mit diesem Betrag sicherlich wenn überhaupt, dann nur einen symbolischen, Beitrag zur Kostendeckung beitragen können. Im Übrigen erhalten Asylbewerber zumindest in Deutschland ein kleines Taschengeld zur Deckung des wichtigsten Bedarfs. Es darf daher bezweifelt werden, ob sich der Verwaltungsaufwand überhaupt lohnt.

In sofern soll diese Maßnahme erst einmal den rechten Deppen unter den Wählern als Signal dienen: „Wir tun was!“ und weniger ein konkretes Problem lösen.

Ähnlich verhält es sich mit der Durchsuchung von Smartphones. Jeder, der sich in letzter Zeit einmal für eine Reise in die USA interessiert hat, wird über den Einsatz von Tools nachgedacht haben, die sein Gerät für die Durchsuchung bei der Einreise optimieren und Apps sowie Zugangsdaten und private Dokumente in die Cloud schieben und temporär löschen.

Wie immer, wenn Populisten irgendwelche Gesetze beschließen, die Stärke und Entschlossenheit zeigen sollen, handelt es sich dabei in Wirklichkeit um Beruhigungspillen für die eigenen Wähler, deren Horizont über KRONE/BILD und einem Konto bei der Filialbank um die Ecke nicht hinausgehen dürfte.

Für die meisten Wähler populistischer Parteien kommen die Geflüchteten ja sowieso aus irgendwelchen unterentwickelten Ländern, nur um es sich in unseren Sozialsystemen gemütlich zu machen.

Wenn man sich nur die Dauer und die durchschnittlichen Kosten einer mehrmonatigen Flucht durch x Länder ansieht, so muss man zwangsläufig zu der Erkenntnis kommen, dass hier eher die Mittelschicht flieht oder aber ziemlich viele Verwandte das Geld für ein Mitglied der Familie zusammenkratzen mussten.

Wer, mit Hilfe von Google Maps, Messengern und Facebook-Gruppen seine Flucht auf dem Smartphone organisiert und den Kontakt mit der Familie in der Heimat und am Zielhort hält oder sich mit Schleppern abspricht, dem sollte man schon zutrauen, alleine schon wegen der Widrigkeiten auf der Flucht, möglichst ein aufgeräumtes Smartphone mit sich herumzutragen, auf dem man nicht zu viele Hinweise hinterlässt, die einen als attraktive Geisel für Erpressungsgeldforderungen erscheinen lassen.

Und was das Thema Bargeld angeht: Es ist kein Wunder, dass eine solche Maßnahme natürlich im deutschsprachigen Raum Befürworter findet, wo man sich ein Leben ohne Bargeld nicht vorstellen kann und selbst schon Probleme damit hat, einen in Stockholm üblichen bargeldlosen Flohmarkt für möglich zu halten.

Aber seien wir doch mal ehrlich: Wer es bspw. in einem afrikanischen Land gewohnt war, seine alltäglichen Zahlungen mit Systemen wie M-Pesa via SMS durchzuführen, der wird früher oder später auch auf die Idee kommen, sich einen Dienst zu suchen, mit dem man international an sein Geld kommt. Auch ohne auffällige goldene Amex. Menschen aus muslimischen Ländern werden wohl eher dem informellen Hawala-System vertrauen und sich so unterwegs den Nachschub an Geld sichern. Egal ob es sich dabei um eigenes Geld oder Zuschüssen der Verwandten zuhause handelt.

Am Ende wird man also ein paar armen Schluckern ein paar Euro abknöpfen und vielleicht den Namen von zwei drei technisch nicht versierten Fastrentnern mit Hilfe rechtlich fragwürdiger Durchsuchungen feststellen. Wer aber einigermaßen im Hier und Jetzt lebt, sich etwas mit Technik beschäftigt, der wird auch ohne kriminelle Absichten über solche Maßnahmen lachen.

Ich hätte da mal einen Tip an FPÖ (und AfD): Anstatt solche schwachsinnigen Säue durchs Dorf zu treiben, könnte man sich ja mal Gedanken über ein sinnvolles Einwanderungsrecht machen (für die, die ihr Glück weitab der Heimat suchen wollen) und weiterhin damit aufhören, Waffen in alle Welt zu liefern, korrupte Regimes zu unterstützen und mit der EU-Außenhandelspolitik Märkte in Schwellenländern zu zerstören.

Marc-Oliver Schaake

Lotus / IBM / HCL Notes Professional Mag Reisen mit dem Zug, insbesondere mit Nachtzügen Kartenzahler seit 1987

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