25. April 2024

Stadtbahn Granada: Endlich in Betrieb, aber Ticketing zum Abgewöhnen

Bei meinem vorletzten Besuch in Granada im Jahr 2016 fiel mir etwas auf, was wie der Abgang zu einer U-Bahn aussah. Bei weiteren Erkundungen stieß ich auf Gleise einer im Bau befindlichen Straßenbahn. Wie sich herausstellte, wurde der Bau in fast fertigem Zustand (73%) 2011 erst einmal gestoppt. Nach der Tram Velez-Málaga eine weitere Investitionsruine? So schlimm kam es glücklicherweise aber nicht. Ende 2017 ging die knapp 16km lange Strecke von Armilla bis Albolote mit einer Linie endlich in Betrieb.

Die Andalusische Politik betreibt im ÖPNV sehr viel Murks, an dem die Tram in Velez-Málaga schon gescheitert ist. Ein Beispiel aus der Provinz: In der Region um Motril wurden während der Wirtschaftskrise Haltestellen außerhalb der Ortschaften aufgelassen, d.h. die ALSA-Regionalbusse verkehren seitdem, ergänzt durch einige Stadtlinien, mehrheitlich ohne Zwischenhalt von Ortsmitte zu Ortsmitte. Die Haltestellen außerhalb der Ortschaften befinden sich wiederum häufig in der direkten Nähe zu Wohnsiedlungen und zu den Hotels. Damit hat man gleich zwei Nutzergruppen von der Nutzung des ÖPNV abgeschnitten. Dennoch vermarktet man die Wartehäuschen und Haltestellenschilder weiterhin erfolgreich als Werbeflächen (u.a. für Media Markt). Die Mietwagenverleiher an den Flughäfen Málaga und Álmeria sagen Danke!

Nahverkehr in Granada

In der Alhambra-Stadt besteht der Nahverkehr grob aus drei Säulen: Den roten Stadtbussen, den grün-beigen Bussen der Umlandgemeinden (gefahren von mehreren Anbietern) und der neuen Stadtbahn.

Die beiden Bussysteme glänzen schon dadurch, dass sie über getrennte Haltestellen verfügen, zwischen denen gerne 100 Meter und mehr liegen. Hinzu kommt, dass sie selbstverständlich mit unterschiedlichen Tickets operieren.

Für die roten Stadtbusse ist eine RFID-basierte Chipkarte in Plastikausführung namens „Credibus“ erhältlich. Gegen 2€ Pfand kann man diese an den Fahrkartenautomaten in der Innenstadt, im Kundencenter oder bei jedem Busfahrer erhalten. In den Bussen wird lediglich Bargeld akzeptiert. Die Automaten an den Haltestellen in der Innenstadt akzeptieren Debit- und Kreditkarten ab einem Mindestumsatz von 10€ (Stand 2016), mit denen die Credibus-Karten aufgeladen werden können. Gegenüber dem Kauf eines Einzeltickets (1,40€) kostet eine Fahrt mit der Credibus-Karte zwischen 0,83€ und 0,87€.

Für die Nutzung der grünen Umlandbusse wird eine kartonierte RFID-Karte verwendet, wie sie auch in Sevilla zum Einsatz kommt. Diese ist auch in der Stadtbahn gültig. Allerdings wird für jeden Umsteigevorgang jeweils eine Gebühr (zwischen 0,19€ und 0,65€ für den ersten Umstieg) fällig, so dass es mitunter günstiger ist, im parallel zur Stadtbahn verkehrenden Bus einfach sitzen zu bleiben. Genau dieses Problem gab es in Vélez-Málaga auch schon. Dennoch scheint die Stadtbahn sehr gut ausgelastet zu sein.

Während ein Einzelticket für die Stadtbahn als RFID-Papierticket 1,65€ kostet, wird von der grünen Guthabenkarte ein Betrag von 0,82€ abgebucht.

Wem die Verbundtarife in Deutschland schon zu kompliziert sind, der wird hier garantiert das Handtuch werfen. Allen, für dieses Chaos politisch Verantwortlichen, sollte man einen Jobwechsel mit einem Kantholz nahelegen!

Kartenzahlung Fehlanzeige

Die im Stadtzentrum aufgestellten Automaten für die roten Stadtbusse akzeptieren Karten immerhin ab 10€. Das ist 2019 auch eher ein No-Go. Wer an einer Haltestelle ohne Automat zusteigt, hat halt Pech gehabt und muss beim Fahrer bar bezahlen.

Wer nun glaubt, bei der neu eröffneten Stadtbahn sähe es anders aus, der wird leider eines Besseren belehrt:

Die Automaten für Einzeltickets und zum direkten Aufladen der grünen Guthabenkarte akzeptieren allesamt nur Scheine und Münzen. Die maximale Höhe einer Banknote hängt von der Kaufsumme ab. Wer das Bild vergrößert, sieht dass die Automaten bereits einen für ein PIN-Pad vorbereiteten Schacht besitzen. Wer bei der Beschaffung der Automaten auf bargeldlose Bezahlmöglichkeit verzichtet hat, den möge bitte der Blitz beim Sch….. treffen.

Immerhin einen Lichtblick gibt es: In der Ecke in einer der unterirdischen Stationen befand sich ein Terminal, das die bargeldlose Aufladung der grünen Guthabenkarte erlaubt.

Fazit

Das beste Nahverkehrsnetz nützt nichts, wenn es keine gemeinsamen Tickets für alle Verkehrsmittel gibt. Im Jahr 2019 muss es möglich sein, an jeder Haltestelle oder in jedem Fahrzeug auch Einzeltickets bargeldlos zu erwerben.

Räumlich weit auseinander liegende Haltestellen, die den Umstieg erschweren und somit zu einer Reisezeitverlängerung beitragen, sind genauso unzeitgemäß wie Strafzuschläge für den Übergang in ein schnelleres Verkehrsmittel auf gleicher Strecke. Mal ganz abgesehen davon, dass Parallelverkehre eh komplett unsinnig sind.

Von einer Smart-City ist Granada jedenfalls meilenweit entfernt.

Marc-Oliver Schaake

Lotus / IBM / HCL Notes Professional Mag Reisen mit dem Zug, insbesondere mit Nachtzügen Kartenzahler seit 1987

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