29. März 2024

girocard: Spielverderber vermiesen die Partylaune

In der letzten Zeit konnte unser nationales Kartensystem girocard wieder einige Erfolge vermelden. Neben inzwischen mehr als nur leicht steigenden Transaktionszahlen insgesamt, Zunahme kontaktloser Zahlungen und kleinen Bons, waren es natürlich vor Allem die Themen: Ausbau der Akzeptanz in vormaligen Bargelddomänen, der Erfolg der Sparkassen beim Launch von Apple Pay für die girocard aber auch das Hinzugewinnen von Adyen und Computop als neue Netzbetreiber mit Omnichannel-Fokus und internationaler Ausrichtung.

Bald soll die rein für den Einsatz an der Ladentheke vor Ort gedachte girocard auch für In-App-Payment mit Apple Pay (Sparkassen) oder den klassischen Online-Einsatz im Webshop (Volks- und Raiffeisenbanken) tauglich sein.

Die bisherigen Zahlungssystem der Deutschen Kreditwirtschaft, girocard, giropay, Paydirekt und Kwitt, werden inzwischen schrittweise unter einer Marke gebündelt und sollen idealerweise in eine europäische Lösung überführt werden. Auch dort sieht man sich gut aufgestellt, auch wenn derartige Initiativen in der Vergangenheit irgendwann im Sande verlaufen sind.

Desinteresse am Spielfeldrand

Wie auf jeder guten Party, gibt es aber auch immer wieder Gäste die einem die Laune vermiesen. Neben einem kritischen Artikel, der ein Großteil des Wachstums durch die Verdrängung des allseits „beliebten“ ELV sieht, sind es hauptsächlich die Direktbanken, die mit ihrem Desinteresse an der girocard die eine oder andere Jubelmeldung zumindest fragwürdig erscheinen lassen.

Die großen Direktbanken haben immer schon die VISA ins Zentrum ihrer Kartenstrategie gerückt. Dennoch ist es ein beachtenswerter Schritt, dass die Comdirect die neue girocard seit Februar nur noch auf Nachfrage herausgibt. Gleiches gilt für die consorsbank bei der die girocard für Neukunden kostenpflichtig ist.

Parallel hat die Deutsche Bank vor einigen Wochen eine verstärkte Kooperation mit Mastercard verkündet in der explizit auch die reichweitenstarke Postbank inbegriffen sein soll. Auch steht die Integration von Commerzbank und Comdirect noch aus, wobei die Comdirect quasi als Role-Model für den Privatkundenbereich dienen soll.

Der Start der VISA Debit bei DKB und TARGOBANK steht noch aus. Während die meist sehr gut informierte Fachpresse für die TARGOBANK noch nichts zur Zukunft der girocard dort aussagt, titeln die Publikumsmedien für die DKB schon mal vorsichtshalber damit, dass die DKB ihren Kund*innen die geliebte girocard wegnehmen möchte.

Ich sag’s mal so: Ich glaube erst daran, wenn es seitens der DKB offiziell bestätigt wird, auch wenn die DKB ihre Präferenz für die VISA Karte bislang immer noch am Deutlichsten gezeigt hat.

Sieht so eine Offensive aus?

Angesichts der großen Ambitionen bei den Vorturnern in der DK, muss man sich allerdings schon einmal fragen, wie das alles zusammenpasst. Während die Mannschaft in der Verlängerung um das Ausgleichstor kämpft um sich so ins Elfmeterschießen zu retten, stehen die Fans am Würstchenstand und überlegen sich ob sie nicht lieber gleich – vor dem Rest – zum Parkhaus marschieren sollen.

Selbst wenn Sparkassen und Genossenschaftsbanken versuchen, den Rückstand auf die internationalen Schemes wettzumachen: Glaubt irgendjemand im Ernst, dass von denjenigen Banken, die die girocard in die zweite Reihe verbannen, noch irgendwer einen einzigen Cent freiwillig in deren Weiterentwicklung stecken wird? Aus Sicht der DKB und Comdirect ist das Produkt tot. Sie haben sich – zumindest bislang – noch nicht getraut, es endgültig zu Grabe zu tragen.

Wäre ich heute Vorstand einer Sparkasse oder Volksbank, so würde ich mich schon fragen, ob es realistisch ist, dass die beiden Gruppen das System eigenständig wettbewerbsfähig machen und halten und dabei auch noch etwas Geld zu verdienen ist. Oder setzt man nicht schon wieder Geld auf einen toten Gaul, der zwar im Moment noch schnell reiten kann, bei dem aber Arthrose diagnostiziert wurde.

Natürlich kann man kritisieren, dass man dieses wichtige Feld nicht auch noch komplett in die Hand von amerikanischen Unternehmen legen möchte, allerdings hätte man dann nicht die Anteile an VISA Europe veräußern dürfen und sich in den letzten mindestens fünfzehn Jahren mal um die Interoperabilität der verschiedenen nationalen Bezahlsysteme in Europa kümmern sollen.

So droht einfach ein weiteres teures Fiasko. Konnte man die Kosten früher einfach auf die einzelnen angeschlossenen Banken umlegen, die wiederum die Kontoführungsgebühren erhöhten, so sollte spätestens seit dem BGH-Urteil klar sein, dass dieser Weg inzwischen steiniger geworden ist. Nicht wenigen Vorständen kleinerer Regionalinstitute sollte inzwischen klar sein, dass sie entweder günstiger produzieren müssen oder ihre Türen mittelfristig schließen dürfen. Ab einem gewissen Punkt helfen auch Fusionen nicht mehr. Eine Sparkasse Rheinland, deren Geschäftsgebiet von Bad Honnef bis Kleve reicht, braucht wohl wirklich niemand.

 

Marc-Oliver Schaake

Lotus / IBM / HCL Notes Professional Mag Reisen mit dem Zug, insbesondere mit Nachtzügen Kartenzahler seit 1987

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