19. April 2024

E-Mobilität: Mit Kartenakzeptanz an der Säule wird alles gut, oder?

Für die Leser*innen, die über das Thema E-Mobilität auf diesen Blogpost gestossen sind, ein paar einleitende Worte: Ich beschäftige mich seit Jahren mit den Themen Kartenzahlung, Mobile Payment und Allem, was dazugehört. Von daher habe ich natürlich eine gewisse Präferenz wenn es ans Bezahlen geht. Der Goldstandard ist für mich Apple Pay mit VISA oder Mastercard, weil es am sog. „Point-of-sale“ einfach am Bequemsten ist. Alle meine Karten befinden sich alle an einem Ort und ich benötige Dank Apple Watch nicht mal mehr ein Portemonnaie unterwegs. Also, wenn ich nicht gerade mit dem Auto unterwegs bin. Das mit dem elektronischen Führerschein war ja mal wieder ein Rohrkrepierer.

Als ich mit dem Schreiben dieses Blogposts begonnen habe, diskutierte man gerade mal wieder über die sich abzeichnende Änderung der Ladesäulenverordnung und die verpflichtende Akzeptanz gängiger Bezahlkarten direkt an der Säule. Diese wurde Mitte September im Bundesrat verabschiedet. In der Zwischenzeit habe ich immer wieder einmal für mich Pro & Contra versucht abzuwägen, was leider nicht so ganz einfach war.

Um die verschiedenen Sichtweisen zu verstehen, werfen wir zunächst mal einen Blick auf den Status Quo:

Tanken von Verbrennerfahrzeugen

Wer einen Verbrenner fährt, der hat beim Tanken eigentlich wenig zu beachten. Leuchtet die Tankanzeige auf, fährt man an die nächste Tankstelle, füllt den richtigen Kraftstoff ein und zahlt anschließend. Die Preisgestaltung ist transparent, da große Leuchtanzeigen an der Station die Preise vorab anzeigen. Inzwischen weiß auch jeder, dass man weder Montags morgens, noch kurz vor Feiertagswochenenden tanken sollte, da dann die Preise in die Höhe schnellen. Autobahntankstellen sollte man auch weitestgehend vermeiden.

Beim Bezahlen ist eigentlich nur darauf zu achten, dass die eine oder andere freie Tankstelle lediglich girocard und keine internationalen Debit- oder Kreditkarten akzeptiert. Wer eine Firmentankkarte sein eigen nennt, kennt die Verbundpartner sowieso irgendwann auswendig. Das Kartendoppel der Volkswagen Leasing, bestehend aus Routex/BP (Aral) und Shell sorgt europaweit für die höchste Akzeptanz. Ansonsten kann man auch fast überall mit Bargeld bezahlen.

Der an der Säule angezeigte Preis ist dann auch der Endpreis, wenn einem die eigene Tankkarte, Payback oder andere Kundenbindungsprogramme nicht noch nachträglich einen Rabatt einräumen.

Etwas komplizierter wird es lediglich an Automatentankstellen. Je nachdem, aus welcher Generation die Automaten stammen, ist die Bedienung mal einleuchtender, mal verwirrender.

Engpässe kann es lediglich in ländlichen Regionen geben, wo Tankstellen häufig früh schliessen. Hier findet man dann aber häufig Tankautomaten. Autobahnen sind traditionell sehr gut mit Tankstellen und Tankhöfen versorgt. Unrühmliche Ausnahme in Deutschland eigentlich nur der mecklenburgische Teil der A20, wo sich für drei der fünf geplanten Raststätten bis zur Eröffnung kein Betreiber fand.

Laden von Elektrofahrzeugen

Beim Laden von Elektrofahrzeugen muss man schon etwas mehr beachten, als beim Tanken eines Verbrenners. Vom Laden an der 230V-Steckdose zuhause, bis hin zum Schnelllader an der Autobahn gibt es verschiedene Optionen. Dabei unterstützt nicht jedes Auto jeden Ladestandard. Während bei einem reinen Stadtfahrzeug, welches meist auf dem eigenen Grundstück geladen wird, der Verzicht auf die Möglichkeit zum Schnellladen akzeptabel erscheint, so sollte man, wenn man auch nur gelegentlich längere Strecken fahren möchte, tunlichst darauf achten, dass das Auto sich auch mit Schnellladern versteht, da man ansonsten viel Zeit hat, um den Kauf doch noch zu bereuen.

Gewöhnungsbedürftig erscheint auch, dass an den Schnellladern die Ladekabel fest montiert sind, während man für das Laden mit Wechselstrom in der Stadt sein eigenes Typ2-Kabel meist mitbringen muss.

Gerade Neulinge fühlen sind von den verschiedenen Optionen häufig überfordert. Wenn man aber mal ehrlich zu sich selbst ist: Wie viel Zeit hat nicht jeder von uns in der Vergangenheit damit verbracht, im Internet die optimale Fahrzeugkonfiguration zusammenzustellen. Welches Ausstattungspaket bietet welche Felgen, wie erhalte ich günstig das Lederpaket und kann man das Panoramadach mit dem Navigationssystem XY kombinieren?

Eine gute Beratung im Autohaus, die leider nicht immer selbstverständlich ist, oder etwas Internet-Recherche helfen einem schnell auf die Sprünge.

Der Ladevorgang selbst ist eigentlich nicht sehr kompliziert: An die Ladesäule heranfahren, den passenden Stecker wählen und in die Buchse am Auto (und ggf. der Säule) stecken. Einige Fahrzeuge bieten noch an, bei einem gewissen Ladestand den Vorgang automatisch abzubrechen oder diesen zeitverzögert zu starten. Wenn man nicht gerade eine längere Strecke vor sich hat, so wird empfohlen, nicht über einen Ladestand von 80% hinaus zu laden.

Für das Freischalten (und Bezahlen) der Ladung gibt es bereits heute verschiedene Optionen.

Ladekarten, Apps, Ad-Hoc-Laden

Angetrieben von meist schlecht recherchierten Artikeln, ätzen viele Kritiker*innen der E-Mobilität über den ganzen Zoo von Ladekarten und verschiedenen Apps, die man als Fahrer*in eines solchen Gefährtes benötigen würde, um überhaupt Strom laden zu können. Gerne werden dann auch mal irgendwelche angeblichen Kosten wild in den Raum geworfen.

Ganz so schlimm sieht es in der Realität nicht aus, dennoch gibt es ein paar deutliche Unterschiede zum Bezahlen von Benzin oder Diesel an der Tankstelle.

Innerorts werden die meisten Ladesäulen wohl von den jeweiligen Stadtwerken betrieben. Diese fahren ganz unterschiedliche Ansätze bei der Bezahlung. Da gibt es kostenlose Exemplare, wie bspw. von MEGA in Monheim am Rhein und solche die über eigene Ladeverbund-Apps (bspw. Tank-E wie in Köln) nutzbar sind. Andere Anbieter wiederum, stellen ihre Säulen über die großen Anbieter EnBW oder EWE zur Verfügung. Hier benötigt man, je nach Säule entweder die App des jeweiligen Anbieters oder häufig auch eine kostenpflichtige RFID-Karte. Diese kostet meist zwischen fünf und zehn Euro einmalig. Alternativ kann meist ein QR-Code an der Säule gescannt werden, der einen direkt auf eine Bezahlseite führt. Mit einer Ausnahme bislang allerdings stets mit der Pflicht zur manuellen Eingabe der Kartendaten. Dabei wäre die Integration von Apple Pay doch so einfach.

Einige Stadtwerke nutzen auch Giro-e der GLS-Bank zur Abrechnung. Alternativ zur Ladekarte kann eine gewöhnliche, NFC-fähige, girocard an den Leser gehalten werden. Die Abbuchung erfolgt dann via ungesicherter Lastschrift. Das Ganze funktioniert jedoch nur mit der deutschen girocard. Neben Reisenden aus dem Ausland, sind auch alle Kund*innen von Neobanken wie bspw. N26 aus dem Rennen.

Neben den „langsamen“ Säulen mit meist 11kW oder 22kW Wechselstrom, gibt es noch diverse Anbieter von Schnellladern. Zu den bekanntesten gehören IONITY, EnBW, Fastned, EWE und e-on. Neuerdings mischt auch Aral mit und will ein größeres Netz aufbauen.

Auch hier gilt wieder: Ladekarte oder Ladeapp. Alternativ: QR-Code scannen. Ähnlich wie bei den klassischen Tankkarten funktioniert nicht jede Ladesäule mit jeder Karte oder jeder App.

Tesla verfügt bekanntermaßen über ein eigenes, noch geschlossenes Netz. Hier funktioniert die Abrechnung vollautomatisch, da die Säule anhand der Fahrzeugidentnummer den Vorgang über Tesla direkt anstösst.

Nach den ersten Monaten mit dem e-208 hat sich herausgestellt, dass für den alltäglichen Bedarf die Karten von EnBW und EWE völlig ausreichen. Dazu nutze ich noch Tank-E für die Ladesäule vor meiner Haustüre. Reist man hingegen ins Ausland, so können weitere Karten hier und da ganz sinnvoll sein. Jedoch geht es hier ja in erster Linie mal um die Problematik im Inland.

Zusammenfassend kann man sagen, dass es im Inland zumindest kein Bezahlproblem an den Säulen gibt. Mit einem Nachmittag Recherche und den Tipps von Gleichgesinnten, bekommt jeder Elektroauto-Neuling die Grundausstattung beisammen.

Intransparentes Pricing

Während der Bezahlvorgang in der Regel kein Problem in Deutschland darstellt, sieht man mal davon ab, dass man vielleicht einmal im Jahr irgendwo auf einem Smartphone-Display die Daten seiner VISA oder Mastercard eingeben muss, sieht es in Sachen Kosten ganz anders aus.

Je nach Ladesäule und verwendeter Ladekarte können sich ganz unterschiedliche Preise ergeben. Alleine bei IONITY zwischen 0,38€ und 1,03€ pro kWh. Interessanterweise liegt der Ad-Hoc Preis bei direkter Bezahlung bei 0,79€, also deutlich unter dem Preis mit der teuersten Ladekarte.

 

IONITY als Verbund einiger Automobilhersteller bietet natürlich auch Vielnutzertarife mit monatlichen Grundgebühren und dafür reduzierten kWh-Peisen.

Spätestens hier wird deutlich, dass es zwar kein Bezahl-, dafür aber ein Transparenzproblem gibt. Selbst wenn die Kosten an der Ladesäule und/oder in der App vor Beginn des Ladevorgangs angezeigt werden, so hilft das unerfahrenen Nutzer*innen erst mal nicht weiter. Wer hat schon Lust, nachts auf der Autobahn erst einmal Preisvergleich-Apps zu bemühen, um den vermeintlich günstigsten Abrechnungsdienstleister zu finden.

Die Ladesäulenverordnung und ihre Tücken

Die in der Deutschen Kreditwirtschaft organisierten Banken, aber auch Kartenschemes wie VISA und Mastercard, haben natürlich ein großes Interesse daran, dass sie die Erlöse aus dem Verkauf von Kraftstoffen in die neue Zeit retten können. Aufgrund der meist über 50€ liegenden Beträge sind Tankstellen seit Ewigkeiten der Ort, wo auch viele kartenscheue Deutsche zum Plastik greifen. Die Anbieter von Ladekarten bieten heute aber, neben der Bezahlung über Kreditkarte, auch häufig auch den Einzug der Monatsrechnung per Lastschrift an. In diesem Falle entgeht Banken und Kartenherausgeber natürlich ein großer Anteil der ansonsten fälligen Gebühren.

Mit Hilfe eines clever gewählten Narrativs („Öffentlich bezuschusste Ladepunkte müssen auch von jedermann nutzbar sein!“) haben die Lobbyist*innen einen großen Erfolg erzielen können. So wurde 2021 eine Novelle der Ladesäulenverordnung beschlossen, die das ad-hoc Laden mit gängigen Debit- und Kreditkarten (allen voran der girocard) ermöglichen soll.

Abgesehen davon, dass dies natürlich erst einmal nur das wirtschaftlich meist wenig attraktive ad-hoc Laden betrifft, ergeben sich natürlich einige Herausforderungen. Wo wir wieder beim Thema Payment und kontaktloses Bezahlen wären.

Am kostengünstigen ließen sich Ladesäulen mit sog. TOPP-Modulen („Terminal ohne PIN-pad“) ausrüsten. Der bisher für Ladekarten vorhandene RFID-Leser könnte dann bspw. durch ein entsprechend mehrsystemfähiges Modul ersetzt werden, wie man sie bspw. von Vending-Automaten kennt.

Leider gibt es da einen Haken: Im Rahmen der EU-Regulierung wurden die Kartenherausgeber dazu gezwungen, gewisse Sicherheitsmechanismen beim kontaktlosen Bezahlen zu implementieren. In der Praxis sieht das so aus, dass kontaktlos max. 150€ oder fünf aufeinanderfolgende kontaktlose Zahlungen ohne weitere Autorisierung durchgehen. Danach muss die PIN eingegeben und/oder die Karte gesteckt werden. Mir ist bislang ein einziger Kartenherausgeber bekannt (Revolut), der den Kontaktlos-Zähler über eine Push-Nachricht und Freigabe in der Banking-App resetten lässt.

In der PSD II gibt es für die Zwangsabfrage der PIN jedoch einige Ausnahmen. Ob eine Ladesäule unter die am ehesten passende Kategorie „Unbeaufsichtigte Terminals für Verkehrsnutzungsentgelte und Parkgebühren“ fallen könnte, wäre einmal ernsthaft zu prüfen.

Bei Verwendung der girocard könnte der Ladesäulenbetreiber nach eigenem Ermessen noch auf das Lastschrift-Verfahren umschwenken. Bei einer Mastercard oder VISA-Karte im Rahmen der Haftungsumkehr ins eigene Risiko gehen. Davon nehmen aber, aus guten Gründen, immer mehr Händler Abstand. Eine weitere Alternative wäre die Verwendung von Apple Pay oder Google Pay. Die Wallets kommen zwar so langsam aus der Nische, sind aber alles Andere als Standard in Deutschland.

Bleiben also zwei Optionen: Zum Einen der Einsatz von Outdoor-Terminals mit PIN-Tastatur, wie man sie bspw. auch schon von Park- und Fahrkartenautomaten kennt. Der Gesetzgeber erlaubt zwar ausdrücklich, dass mehrere Ladesäulen an einem Standort sich ein Terminal teilen dürfen, dennoch verteuern solche Geräte die Infrastruktur deutlich.

Eine schlankere Lösung könnte der Einsatz von günstigen Kartenlesern mit PIN-on-Glass-Technologie sein, d.h. die evtl. notwendige Eingabe einer PIN erfolgt auf dem Bildschirm der Ladesäule. Hier dürften aber gerade in Deutschland noch einige regulatorischen Klippen zu umschiffen sein. Das fängt schon mit dem fehlenden Blickschutz bei der Eingabe der PIN an. Ganz abgesehen von so simplen Problemen wie möglicher direkter Sonneneinstrahlung, die die Bildschirme der Säulen eh so gut wie unbenutzbar machen.

Fahrer*innen von Firmenfahrzeugen ist damit aber immer noch nicht wirklich geholfen. Um die Kosten für das ad-hoc Laden gegenüber dem Unternehmen geltend machen zu können, wird noch ein Beleg benötigt, d.h. das Terminal müsste darüber hinaus über einen Drucker oder eine Bildschirmtastatur zur Eingabe einer E-Mail Adresse verfügen. So etwas kenne ich bspw. von Automatentankstellen in Spanien. Das fühlt sich allerdings alles irgendwie wenig nach Zukunft an.

Abschließend darf man auch nicht verschweigen, dass jede wie auch immer geartete Lösung für Ladeparks an Autobahnen nicht taugt, wenn wir über kompakte Ladesäulen in den Innenstädten oder gar die immer wieder mal thematisierten „Laternensteckdosen“ sprechen.

Fazit

Nachdem die Politik sich ja lange Zeit um ein Commitment gedrückt hat, so ist es spätestens seit 2020 klar, dass die Zukunft den batteriebetriebenen Fahrzeugen gehören wird. Seitdem positionieren sich auch immer mehr Autohersteller. Allen voran der VW-Konzern.

Der aktuelle Zustand mag für Enthusiasten, Preisfüchse und diejenigen akzeptabel sein, die in den 1990ern auch Sparvorwahlen beim Telefonieren verwendet haben. Für Diesel-Dieter und Susi Superbenzin, besonders wenn beide schon ein paar Jahre älter sind, ist das aber nichts. Das gilt im Übrigen auch für Millenials, die mit einem Smartphone in der Hand, andere Leute auf der Straße nach dem Weg fragen. Und davon gibt es leider auch eine ganze Menge.

Damit batteriebetriebene Fahrzeuge wirklich massentauglich werden, müssen zwei Dinge geschehen: Mehr Preistransparenz und Verbot von Wucherpreisen beim ad-hoc Laden und das Schaffen einer kostengünstigen und komfortablen Lösung zur Bezahlung ohne die Kosten für Aufstellung und Betrieb von Ladesäulen weiter in die Höhe zu treiben.

Ein pragmatischer Ansatz wäre es, wenn E-Auto Nutzer*innen ihre Kartendaten in einem zentralen Portal hinterlegen würden, welches sich um Abrechnung und einmalige SCA kümmert. Die eigentliche Karte würde dann nur noch zur Autorisierung an der Säule dienen. Die hierfür notwendigen Investitionen für geeignete Kombi-Module sind genau so überschaubar, wie ein Risikomanagement für ebensolche Transaktionen.

 

Marc-Oliver Schaake

Lotus / IBM / HCL Notes Professional Mag Reisen mit dem Zug, insbesondere mit Nachtzügen Kartenzahler seit 1987

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