In Deutschland haben wir inzwischen über 15 Jahre Erfahrung mit App-basierten Lösungen wie HandyTicket Deutschland und dem DB Navigator. Inzwischen gibt es in allen, zumindest einigermaßen zivilisierten Regionen mindestens eine App zum bargeldlosen und mobilen Ticketkauf. Einige Verbünde experimentieren darüber hinaus mit Check-in/Check-Out per App und berechnen, wie im Beispiel des Verkehrsverbunds Rhein-Sieg, einen rein entfernungsbasierten Tarif.
Das ist ja alles schön und gut und zielt auf regelmäßige Nutzer*innen ab. Was aber, wenn ich für ein Wochenende in einer fremden Stadt bin und mir dann überlegen muss, welche der zig Apps dort genutzt werden kann. In den meisten Fällen muss ich mich dann erst einmal neu registrieren und Bank- oder Kreditkartendaten hinterlegen. Da macht man natürlich nicht mal eben an der Haltestelle, wenn der im 60 Minuten-Takt verkehrende Bus schon in Sichtweite ist.
Inzwischen dürfte fast jeder etwas größere Verkehrsbetrieb an Tram-Haltestellen oder an Bus-Knotenpunkten Automaten in Betrieb haben, die Karten akzeptieren. Vielfach leider nur die deutsche girocard die nicht nur Touristen ausschließt, sondern auch Kund*innen von Neobanken wie N26. Ganz große Experten wie die Stadtwerke Ulm verlangen dann noch einen Mindestumsatz für Kartenzahlung. Der lag vor nicht all zu langer Zeit noch bei 10€ und damit über dem Preis einer Tageskarte.
Weg mit den Zugangshürden!
Aber was mache ich denn nun, wenn in an einem verregneten Morgen an einer Haltestelle im Außenbezirk stehe und mein einziges Zahlungsmittel der frisch aus dem Automaten gezogene 50€-Schein ist? Häufig endet die Fahrt bevor sie begonnen hat. Und selbst wenn der Fahrer willig ist, dann endet irgendwann sein Wechselgeldvorrat. Bei einem Besuch der Stadtwerke Flensburg durfte ich erleben, wie der Fahrer an jeder Haltestelle durch das Mikro die Reisenden um Wechselgeld angebettelt hat. In Flensburg gab es zu diesem Zeitpunkt weder Fahrkartenautomaten noch eine App (2018).
Was liegt da näher, als ein Kartenterminal mit kontaktloser Kartenakzeptanz in den Bus zu montieren. Das kennt man aus anderen Ländern. In Deutschland musste man sich über Jahre von den Verkehrsbetrieben anhören, dass das niemand nachfrage, viel zu teuer wäre und die Bezahlung zu viel Zeit in Anspruch nähme.
Ein paar Jahre und eine Pandemie später ist es völlig normal, zwei Brötchen beim Bäcker mit Apple Pay zu bezahlen und siehe da, es tut sich was.
Chemnitz setzt auf card-only
Vor einigen Wochen berichteten die Medien, dass die CVAG in Chemnitz in ihren Bussen ab Ende November nur noch die Bezahlung mit Karten akzeptieren würde. Natürlich folgten erst einmal wieder üblichen Diskussionen, was den alte Leute und Kinder machen sollen. Abhilfe schafft die örtliche Sparkasse in Zusammenarbeit mit Mastercard, die eine Prepaid-Karte vergünstigt oder – mit Bedingungen – kostenlos ausgeben wollen. Natürlich kann zur Bezahlung auch jede andere girocard, VISA-Karte oder Mastercard genutzt werden. Egal ob kontaktlos mit Plastik oder natürlich mit Apple Pay oder Google Pay.
Oberhausen bietet Kartenakzeptanz im Bus optional
Ganz soweit möchte die STOAG in Oberhausen nicht gehen. Sie bietet allerdings seit Kurzem alternativ die Bezahlung mit Karte in ihren Bussen an. An den Straßenbahnhaltestellen der Linie 112 stehen eh seit Jahren Ticketautomaten, die auch VISA, American Express und Mastercard akzeptieren.
Fazit
Nach und nach hält auch in Deutschland die Neuzeit Einzug. Kartenakzeptanz im Fahrzeug, die bis vor ein zwei Jahren noch mit Ablehnung, Abneigung und Kopfschütteln von den meist städtischen Verkehrsbetrieben kommentiert wurde, ist auf dem Vormarsch. Das ist, neben aller Digitalisierung des Vertriebsprozesses durch Apps, ein gutes Zeichen, da so Zugangshürden abgebaut werden und gerade Gelegenheitsnutzer*innen einen einfachen und bequemen Weg zum Ticket zur Verfügung gestellt bekommen.