Vorweg möchte ich betonen, dass ich nicht zu den girocard-Hassern gehöre, sondern sie – zumeist digital in Apple Pay – auch aktiv nutze. Ich bin der Meinung, dass die vier Jahre Donald Trump uns eines sehr deutlich gemacht haben: Kritische Infrastruktur, und dazu gehört zweifelsohne auch das bargeldlose Bezahlen, komplett in die Hände einiger weniger US-amerikanischer Konzerne zu geben, ist aus europäischer Sicht leichtsinnig. In sofern ist auch die gerade stattfindende Konzentration im Bereich der Zahlungsabwickler ein Punkt, auf den die EU in Zukunft verstärkt achten sollte.
Ich glaube aber auch an Wettbewerb und an die Notwendigkeit, beim Bezahlen keine unnötigen Hürden aufzubauen. Die girocard ist im Moment ein rein deutsches Produkt, welches im Wesentlichen von den Gremien der beteiligten Bankengruppen gesteuert wird. Es ist kein Zufall, dass die Entwicklung des kontaktlosen Bezahlen in Deutschland mit einiger Verzögerung begann. Während in unseren Nachbarländern NFC-fähige Mastercard, VISA und Maestro-Karten bereits millionenfach im Einsatz waren, hat man bei uns wertvolle Zeit mit einem Feldversuch auf Basis der kontaktlosen GeldKarte („girogo“) verschwendet. Erst, als im Jahr 2017 der Startschuss für die reguläre direkte Belastung des Girokontos mittels „girocard kontaktlos“ fiel, nahm der Zug auch in Deutschland Fahrt auf.
Mit der durch die EU durchgesetzten Kappung der Interchange-Gebühren im Dezember 2015 begann in deutschen Geschäften eine riesige Aufholjagd. Mastercard und VISA wurden von da an in immer mehr Geschäften des täglichen Bedarfs akzeptiert. Selbst American Express hat es bis an die Kassen der meisten Discounter geschafft. Neue Akzeptanzstellen wie immer mehr Bäckereien, Schnellrestaurants und Kioske sind meist sowieso mit einer umfassenden Akzeptanz gestartet. Ausnahmen bestätigen aber auch hier die Regel.
Mit der Akzeptanz der internationalen Schemes kamen auch kontaktlose Terminals an die Kassen des deutschen Handels. Nicht zuletzt weil Mastercard diese ab einem bestimmten Datum einfach vorausgesetzt hat. So konnte die girocard Erfolge auf vorhandener Infrastruktur feiern.
Die Welt hat sich verändert
Als ich anfing, mich mit dem Thema zu beschäftigen, war die Kommunikation rund um Kartenakzeptanz recht klar strukturiert: girocard ist die wichtigste Karte, internationale Debitkarten Maestro und V-Pay wichtig, wenn man sein Geschäft grenznah betreibt oder im Après-Ski Business tätig ist. Für höherwertige Güter und finanzstarke Kundschaft sollte man Mastercard und VISA akzeptieren. Darüber hinaus war Jahrzehnte das Hauptargument pro Karte: „Kunden geben mehr aus, wenn sie mit Karte bezahlen können“. Heute heißt es allerdings immer häufiger: Kunden geben überhaupt etwas aus, wenn sie mit Karte bezahlen können.
Auch bei der Frage, welche Karte es sein muss, hat sich einiges verändert. Eine schier kaum noch zählbare Schar von Fintech-Unternehmen setzt seit je her auf Karten von Mastercard und zunehmend auch VISA. Diese Karten sind je nach Herausgeber und Erscheinungsjahr Prepaid- oder Debitkarten. Diese Fintech-Unternehmen rechnen aber nicht damit, dass Kunden mit ihren Karten üblicherweise am Samstag einen Brillantring und eine neue Golfausrüstung shoppen, auch wenn sich sicherlich keines der Unternehmen gegen die Erlöse aus dem Interbankenentgelt wehren würde. Vielmehr setzen sie darauf, dass die User ihre Karte und ihr Konto im Alltag, bei jeder sich bietenden Gelegenheit einsetzen. Egal, ob es sich um ein belegtes Brötchen, den Coffee-to-Go am Bahnhof oder auch den Wocheneinkauf im Supermarkt handelt.
Aus diesen vormaligen Nischenanbietern, deren Namen kaum einer außerhalb unserer Bubble je gehört hat, ist mit der Berliner Neobank N26 ein Player entstanden, der weltweit 5 Mio Kunden hat. In kaum einer Stadt kann man deren Werbung im ÖPNV übersehen. N26 setzt dabei auf die Debit Mastercard sowohl als Plastikkarte, als auch in Google- und Apple Pay. Darüber hinaus gibt es noch eine Maestro-Karte. Allerdings nur in Plastikform. Eine girocard sucht man dort vergebens.
Aber auch andere Banken haben die girocard längst in die zweite Reihe verbannt. Die großen Direktbanken ING, DKB und comdirect werben seit Langem mit ihren kostenlosen VISA-Karten und haben auch nur diese in Google- und Apple Pay integriert. Die DKB hat im Sommer 2020 einen Newsletter verschickt, in dem dazu aufgefordert wurde, die girocard zuhause zu lassen und auf die Vorzüge der VISA-Karte hingewiesen. Bei Consors geht man sogar soweit, dass man nur noch Kunden, die ihre girocard auch aktiv nutzen, eine Austauschkarte nach Ablauf der Gültigkeit zusendet. Offenbar haben sich inzwischen so viele Kunden daran gewöhnt, ihre VISA-Karte zu nutzen.
Man kann also inzwischen durchaus sagen, dass viele Deutsche ihre Kredit- oder Debitkarten von Mastercard und VISA nicht nur für den Online-Einkauf oder Urlaubsreisen nutzen, und diese unterjährig nicht mehr in der Schublade vergammeln, wie das noch vor ein paar Jahren häufig der Fall war.
Ernüchterung an der Kasse
Egal, wie bunt es inzwischen in den Portemonnaies oder digitalen Wallets in Deutschland zugeht, spätestens an der Kasse kommt für Viele der Moment der Wahrheit, wenn es heißt „Leider nur EC-Karte“. Solange die meisten der Kunden immer noch eine girocard besitzen, da bspw. das N26-Konto noch nicht zum Hauptkonto wurde, nimmt man halt diese. Was aber, wenn man sich zum kompletten Wechsel entschließt oder aber die eigene Bank die girocard aufs Abstellgleis schiebt? Dann wird man unfreiwillig wieder zum Barzahler. Gleiches gilt natürlich auch für Kunden ausländischer Banken.
Die Gründe, warum ein Händler oder Gastronom nur girocard akzeptiert, können vielfältig sein. Fehlerhafte Aufklärung durch den Anbieter, bislang kein Bedarf da hauptsächlich inländische Kundschaft oder schlichtweg Konditionen, die die Akzeptanz anderer Karten uninteressant machen. Schlechten Konditionen kann man natürlich mit dem Einholen von Vergleichsangeboten begegnen. Wer als Händler schon länger Karten akzeptiert, kennt i.d.R. auch die für ein Angebot wichtigen Kennziffern. Aber viele haben bislang nicht die Notwendigkeit gesehen, sich mit dieser eher lästigen Thematik zu beschäftigen und es dabei belassen.
Aufklärung tut not
In vielen Gesprächen wurde mir klar, dass fehlende Aufklärung ein großes Problem darstellt. Das fängt schon damit an, dass Vielen nicht einmal klar ist, warum eine deutsche girocard, auf der vorne groß das Maestro-Logo prangt (und das girocard-Logo gerne mal klein auf der Rückseite), bei ihnen funktioniert aber eine nahezu gleich aussehende Karte aus den Niederlanden nicht.
Auch, dass es in anderen Ländern „die EC-Karte“ („EC steht doch für Eurocheque?!“) gar nicht gibt, ist häufig nicht bekannt. Ich kann mich noch gut an eine skurrile Situation in einem Berliner Autohaus erinnern, wo die Mitarbeiterin einem schottischen Pärchen klar machen wollte, dass sie statt der VISA-Karte doch bitte ihre „EC-card“ nehmen sollten. Nach einigem Rätselraten, was eine „EC-card“ sei, hat der Kunde in seiner Reisetasche noch eine Maestro-Karte gefunden, die aber natürlich auch nicht autorisiert werden wollte, worauf die Mitarbeiterin leicht säuerlich anmerkte: „I have se same card and it works here. No money on se card?“.
Wie aber, kann man ernsthaft von Inhabern kleinerer Unternehmen erwarten, dass sie diese Zusammenhänge verstehen, wenn selbst die größte Kette im Lebensmitteleinzelhandel (EDEKA) immer noch Kaufleute in ihren Genossenschaften hat, die lediglich girocard akzeptieren? Und dabei rede ich nicht vom Tante Emma-Laden im Hochschwarzwald, sondern auch riesige und ansonsten hochmoderne Märkte.
An dieser Stelle muss in Zukunft einfach mehr passieren!
Fazit
Das Corona-Jahr hat vieles verändert. Viele Deutsche nutzen ihre Karten häufiger und für kleinere Beträge als noch vor Kurzem. Mit Mobile Payment hat auch die Relevanz von VISA und Mastercard im Alltag zugenommen. Schilder mit Mindestumsätzen, wie sie früher üblich waren, sorgen heute auch bei Otto und Ottilie Normalbürger für verständnisloses Kopfschütteln. Und wer sich einmal an die Vorzüge von Apple Pay gewöhnt hat, reagiert genervt, wenn das Bezahlen nur mit gesteckter girocard möglich ist.
Also: Händler macht euch schlau und verhandelt gute Konditionen! Denn früher oder später werden mehr Leute vor euch stehen, die andernfalls schulterzuckend ohne ihren Einkauf Euren Laden verlassen werden. Verlasst Euch drauf!