30. April 2024

Nationale Debitkarten-Systeme: Gar nicht mal so selten!

In der Diskussion um den deutschen Payment-Markt und insbesondere um vermeintliche oder echte Besonderheiten kommt immer wieder der Hinweis darauf, dass das Vorhandensein einer nationalen Insellösung wie der girocard ja eine typisch deutsche Marotte sei.

Nun kann man trefflich darüber streiten, in wiefern ein starkes nationales Debitkarten-System den Wettbewerb erschwert (Stichwort Inselakzeptanz) oder einen gewissen Preisdruck nach Unten auslöst und den Wettbewerb befördert. Fakt ist aber, dass wir mit der girocard beileibe nicht Alleine dastehen. Eine kleine Auswahl der Systeme, die es ebenfalls in die Apple Wallet geschafft haben, findet ihr in der Bildergalerie:

 

Durch das sog. Co-Badging haben Nutzerinnen und Nutzer dieser Karten in der Regel die Möglichkeit im Ausland, an Miniterminals wie bspw. von Sumup oder online mit bspw. Mastercard oder Visa zu bezahlen, ohne eine zweite Karte besitzen zu müssen. In sofern ein nationales System vorhanden ist, entgehen Mastercard und Visa allerdings ein Großteil der Umsätze im Inland.

Anzahl aktiver nationaler Bezahlsysteme nach EU-Mitgliedsland in 2013 and 2018 Quelle: EZB

Auswirkungen auf den europäischen Binnenmarkt

Problematisch werden solche nationalen Systeme erst dann, wenn eine nennenswerte Anzahl von Präsenzhändlern oder Online-Shops sich auf die Akzeptanz dieser Systeme beschränkt. In Deutschland kennen alle das gefürchtete Schild „Nur ec-Karte“ an der Kasse. In den Niederlanden wiederum ging über lange Zeit an vielen Stellen im Fernabsatz recht wenig ohne ein „iDeal“-fähiges Konto.

Touristen willkommen. Nicht. Regensburg Februar 2020. (@real_mos)

Somit schloss man nicht nur Kundschaft mit Wohnsitz im Ausland vom bequemen bargeldlosen Bezahlen aus, sondern hielt auch den Druck auf die heimische Kreditwirtschaft hoch, diese Verfahren ihren Kunden anzubieten. Internationalen Anbietern wird so ein Markteintritt zusätzlich erschwert.

Dies widerspricht natürlich dem Prinzip der Dienstleistungsfreiheit ganz enorm. Ein deutscher Bankkunde, der zwar durchaus sein Gehaltskonto bei einer maltesischen Bank eröffnen könnte, sieht sich gleich mit einer Reihe von Problemen konfrontiert: Viele Unternehmen tun sich schwer, eine IBAN zu akzeptieren, die nicht mit „DE“ beginnt. Obwohl die Rechtslage hier eindeutig ist, haben wohl nur die wenigsten Menschen Lust, dies mit ihrem Arbeitgeber auszudiskutieren. Genauso frustrierend kann es sein, wenn der Parkautomat streikt oder der Lieblingsitaliener beim Anblick einer internationalen Debitkarte nur mit dem Kopf schüttelt.

Glücklicherweise haben wir in Deutschland inzwischen kräftig aufgeholt. Die Kappung der Interchange-Gebühren durch die EU im Dezember 2015, neue Anbieter wie SumUp, die Covid-Pandemie und nicht zuletzt der Trend hin zu Mobile Payment haben dafür gesorgt, dass man als Bankkunde getrost auf eine girocard verzichten kann.

Marc-Oliver Schaake

Lotus / IBM / HCL Notes Professional Mag Reisen mit dem Zug, insbesondere mit Nachtzügen Kartenzahler seit 1987

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