28. März 2024

Unterwegs im ÖBB Nightjet

Die meisten Bahninteressierten werden es bereits mitbekommen haben. Nach mehreren Fahrplanwechseln mit Linienkürzungen und Streichungen, hat sich die Deutsche Bahn endgültig aus dem Geschäft mit den klassischen Nacht- und Autozügen verabschiedet.

Offiziell wird dieser Schritt mit den hohen Verlusten und dringendem Investitionsbedarf begründet. Kenner der Materie werfen der DB allerdings einige üble Taschenspielertricks vor, die die Verluste künstlich in die Höhe getrieben haben, um die Nummer beim Aufsichtsrat durchzubekommen.

Sei es, wie es mag. Neben einigen saisonalen Angeboten privater EVUs, sind die österreichischen Bundesbahnen in die Bresche gesprungen und haben ehemals gemeinsam betriebene Linien nun unter eigener Regie übernommen. Einige ehemalige DB-Angebote in Richtung Schweiz haben die ÖBB ebenfalls übernommen.

Warum Nachtzug

Da ich fast alle meine Reisen mit der Bahn tätige, stehe ich häufiger vor dem Problem, dass Reisezeit und nutzbare Zeit am Zielort nicht unbedingt in einem guten Verhältnis zu einander stehen. Für die Strecke von Köln nach Wien benötigt der direkte ICE 9h15. Die schnellste Verbindung mit Umstieg in Frankfurt immerhin noch 8h15. Rechnet man den Vor- und Nachlauf mit öffentlichen Verkehrsmitteln ein, so gehen fast immer zehn Stunden für eine Strecke drauf. Sicher, man kann im ICE arbeiten, dösen, essen oder sich betrinken. Der Tag aber, ist so oder so hinüber.

Mit dem Nachtzug hingegen gewinnt man im Idealfall einen Tag. Gerade für verlängerte Wochenenden in der Donaumetropole ideal!

Im konkreten Fall habe ich ein paar Tage rund um den Jahreswechsel 2016/2017 in Wien verbracht (siehe auch: Bargeldlos in Wien). Entgegen dem ursprünglichen Plan am 2. Januar nach Hause zu fahren und erst gegen 23:00 in der Wohnung zu sein, habe ich am 23.12. noch einmal spontan nach Preisen für den Nightjet am 01.01. gesucht. Trotz der relativ kurzen Zeit bis Reiseantritt habe ich noch einen guten Preis erhalten (siehe unten). Rechne ich die gesparten Übernachtungskosten von knapp 100€ inkl. Frühstück heraus, so kann man das Ticket durchaus als Schnäppchen bezeichnen. Da lohnte es sich auch, das bereits vorhandene Sparpreisticket für den ICE gegen Gebühr zu stornieren.

Freier Eintritt in die Lounge

Die ÖBB bietet allen Reisenden im Schlafwagen, unabhängig von einer Statuskarte, den freien Zugang zu ihren Lounges am Tag der Reise. Da das Wetter an dem Tag zusehends schlechter wurde, war ich für das Angebot sehr dankbar.

Die Lounge im neuen Hauptbahnhof verfügt über bequeme Sitzlandschaften mit Tischen und Steckdosen an fast jedem Platz. Neben den üblichen Softdrinks und – genießbaren – Kaffeespezialitäten gab es auch Gösser Pilsener aus der Flasche, ein paar Knabbersachen und etwas, was wie Kuchen aussah.

Die dreieinhalb Stunden bis zur Abfahrt des Nightjets vergingen dort wie im Flug.

Das Boarding

Ich wurde von zwei Stewards des Caterers „Newrest Wagon Lits“ freundlich empfangen. Der jüngere der beiden Herren sollte übrigens ab Passau die Zugführerbinde übernehmen. Er hatte nämlich die entsprechende Ausbildung in seiner Zeit bei der DB absolviert.

Nach Abfahrt in Wien wurden erst einmal die Tickets kontrolliert und die Bestellungen für das Frühstück und den Weckdienst aufgenommen.

Jeder Schlafwagengast wurde darüberhinaus mit einem kleinen Willkommenspaket begrüßt, in dem sich u.a. Hausschlappen, eine Piccolo-Flasche Prosecco und Ohropax-Stöpsel befinden.

Das Abteil

Ein Argument der DB für die Einstellung des Nachtverkehrs war auch das veraltete Wagenmaterial und der angeblich niedrige Standard. Der Schlafwagen des Zuges war von der Bauart  WLABmz173.1 und von der DB Autozug übernommen. Erkennbar auch an der rot/lichtgrauen Lackierung. Bis zur Überarbeitung durch die ÖBB wird der auch noch einige Monate so weiter fahren.

Die Einschätzung aus dem Bahntower kann ich so gar nicht nachvollziehen. An vielen Stellen im Abteil und Dusche/WC an den Waggonköpfen kam schon das aus den ICE bekannte Holz in Multiplex-Optik zum Einsatz. Die Betten auch im 2. Klasse-Abteil haben eine angenehme Breite von einem Meter und eine bequem harte Matratze. Lediglich die Fensterdichtungen hätten mal überarbeitet werden können.

Im Standard-Abteil findet sich hinter Klapptüren ein Waschtisch mit Spiegel und Steckdose für Rasierer.

Die Abteile lassen sich verschließen. Für den Zutritt von Außen gibt es eine Schlüsselkarte mit Lochkartenmuster.

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Eine weitere Steckdose befindet sich am Kopf des untersten Bettes und ist für eine Leistung von 150W ausgelegt. Wer also mit vielen Geräten und/oder mehreren Reisenden in so einem Abteil unterwegs ist, sollte über Akkupacks und Mehrfachstecker nachdenken. Hier könnte die ÖBB sicher noch etwas nachlegen. Genauso wäre WLAN sinnvoll.

Sanitäre Einrichtungen

Im Schlafwagen gibt es – neben den in die Deluxe-Kabinen integrierten Duschen und WC´s – jeweils ein WC und ein kombiniertes WC mit Duschkabine am Kopf. Die Sauberkeit war gegeben. Lediglich die Papierkörbe sind ein wenig zu klein, so dass stets benutzte Papierhandtücher hinaushingen. Das sieht nicht schön aus. Aber im Grunde kennt man das aus den ICE. Einige Pappnasen verstehen die englische Aufschrift „Push“ nicht und stopfen ihre Papiertücher in sämtliche Öffnungen der Schränke der WC-Kabine….

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Wer morgens wirklich duschen möchte, sollte aber ein Deluxe-Abteil wählen. Schließlich kann niemand garantieren, dass zur gewünschten Zeit die Kabine frei ist. Wer, wie ich, am Zielort wohnt, kann sich den Aufpreis lieber sparen und stattdessen zu Hause duschen. Als Alternative gibt es in vielen größeren Stationen in Deutschland aber auch Duschkabinen in den WC-Anlagen der Bahnhöfe.

Verpflegung an Bord

Nachdem die Ticketkontrolle durchgeführt wurde, hatte ich die Möglichkeit beim Steward eine Kleinigkeit zu Essen zu bestellen.

Ich habe mich für eine Gulaschsuppe entschieden, die recht schmackhaft, aber ein wenig zu kühl war. Für 5,60€ inkl. recht sättigender Sandwiches als Beilage ein mehr als fairer Preis, der allerdings bar zu entrichten war.

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Um besser Essen zu können, wurde ein kleiner Tisch aufgebaut. Diese befinden sich normalerweise hinter Klappen im Gang des Waggons. Nach dem Essen wurde der Tisch schnell wieder abgebaut und das Bett ausgeklappt.

Kann man im Schlafwagen wirklich schlafen?

Das ist ein ganz schwieriges Thema. Es soll ja Leute geben, die selbst ohne Alkoholeinfluss tief und fest auf einer Bassbox in der Disco schlafen können. Ich bin da leider etwas empfindlicher und das ist auch das große Manko der Schlafwagen.

Zum Einen gibt es eine ganze Reihe von Lichtquellen, wie bspw. floureszierende Aufkleber, beleuchtete Schalter und ein kleiner Spalt unten an der Tür, wo sich das Blech etwas verzogen hat.

Zum Anderen brummt quasi die ganze Zeit die Belüftung. Lediglich beim Flügeln des Zuges in Nürnberg sowie während Recuperationsphasen ist es eine Weile ruhig. Das kann schon ganz schön nervig sein. Getoppt wird der Soundteppich allerdings von der Spülung des WCs im Deluxe-Abteil inmitten des Waggons. Man liegt quasi direkt mit dem Ohr daneben.

Aus den genannten Gründen war an Tiefschlaf nicht zu denken. Allerdings fühlte ich mich am Tag danach dennoch nicht wirklich gerädert und bin nach kurzem Aufenthalt zu Hause frohen Mutes ins Büro gefahren. Somit konnte ich problemlos einen Urlaubstag einsparen, den ich ansonsten sinnlos im Zug verbracht hätte.

Vielleicht ist das aber auch alles Gewöhnungssache. Vielleicht sollte ich nächstes Mal einfach den Prosecco statt des Bieres trinken. Von Sekt werde ich nämlich immer schon nach drei Schluck müde.

Das Frühstück

Das Wecken erfolgte vereinbarungsgemäß eine Stunde vor Ankunft in Köln. Wie angekündigt, kam 10 Minuten später der Steward mit dem Klapptisch und Frühstückstablet vorbei.

Im Preis sind sechs Komponenten inbegriffen. Jede weitere kostet einen Aufpreis von einem EUR (alles bar zu bezahlen). Das Heißgetränk kann man sich kostenlos nachfüllen lassen.

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Der Kaffee war genießbar, die Brötchen OK. Man merkte ihnen aber an, dass sie vom Vorabend waren. Ich glaube etwas Brot als Alternative würde einen noch besseren Eindruck hinterlassen.

Wie komme ich an ein Ticket und was kostet es?

Tickets lassen sich sowohl über bahn.de als auch oebb.at beziehen. Da die DB für eine Übergangszeit noch Tickets mit BahnCard-Rabatt verkaufen darf, ist aktuell für Schlafkabinen die DB die bessere Adresse. Ein weiterer Vorteil bei der DB: Sparpreis-Tickets lassen sich teilweise stornieren. Bei einem Nightjet-Ticket gilt das lediglich für den Fahrkartenanteil (ohne Reservierung Schlafplatz) und es werden aktuell 19,50€ Stornogebühren zusätzlich abgezogen. Tickets sind als PDF zu erhalten und müssen aber ausgedruckt mitgeführt werden.

Für die einfache Strecke in einer Einzelkabine habe ich 151,90€ bezahlt. Die unterschiedlichen Abteilkategorien findet ihr hier.

Fazit

Die Reise im Nachtzug ist nach wie vor eine gute Alternative auf längeren Strecken. Vielfach lässt sich auch noch Geld dabei sparen. Auf jeden Fall spart man aber eine Menge Zeit.

Die ÖBB tut wirklich Alles, damit sich der Gast wohlfühlen kann. Die Inklusivleistungen für Schlafwagengäste sind vorbildlich.

Demnach wird das sicher nicht die letzte Fahrt im ÖBB Nightjet gewesen sein.

Eine Sache aber sollte die ÖBB unbedingt überdenken: Es kann nicht sein, dass sich die Deutsche Bahn aus dem Geschäft zurückzieht, der ÖBB die notwendigen Investitionen und das unternehmerische Risiko überlässt und dann nicht nur günstigere Preise anbieten kann, sondern darüber hinaus noch die Vertriebsprovision einstreicht.

Die ÖBB sollte tunlichst dafür sorgen, dass über oebb.at stets der günstigste Preis verfügbar ist und die BahnCard wie VorteilsCARD und Halbtax-Abo die üblichen 25% Rabatt sicherstellen.

Marc-Oliver Schaake

Lotus / IBM / HCL Notes Professional Mag Reisen mit dem Zug, insbesondere mit Nachtzügen Kartenzahler seit 1987

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