15. Oktober 2024

Bargeldlos in Genf

Anlässlich der Installation einer Unified Communication-Lösung, die MIFID II konform auch die Telefonate, die über Mobiltelefone geführt werden, aufzeichnet, hat es mich für zweieinhalb Tage nach Genf verschlagen.

Selbstredend habe ich nebenbei auch testen wollen, wie es um die Akzeptanz bargeldloser Bezahlverfahren in der Schweiz steht.

Aufgrund meines Kartenportfolios hatte ich nicht wirklich Lust, Bargeld am Automaten zu ziehen (4,50€ mit der SparkassenCard +1%) und habe es dieses Mal wirklich auf Zero-Cash angelegt. Da ich mit der SparkassenCard (girocard plus maestro) mind. 0,77€ pro Zahlung berappen darf, war die Karte der Wahl eine MasterCard Gold meiner Sparkasse mit 1% Fremdwährungszuschlag. Weil die Karte dazu noch Chip&Signature und kein NFC unterstützt, war der Kugelschreiber mein bester Freund.

Die Reise habe ich, wie meistens, mit der Bahn unternommen. Das Ticket für die Hin- und Rückfahrt in der ersten Klasse des ICE hat 140€ gekostet. Ich habe es als Handyticket bezogen und mit besagter MasterCard beglichen. Für die Fahrt zum Hauptbahnhof musste ich noch ein Einzelticket bei der KVB erwerben. Das Ganze natürlich als Handyticket.

An der Haltestelle wurde ich von einem Anfangzwanziger angesprochen, ob ich ihm nicht einen Fuffi für das Ticket wechseln könnte. Meine Hinweise auf die GeldKarte („habe ich nicht geladen“) und die App der KVB bzw. HandyTicketDeutschland („habe ich auch nicht“) fand wenig Gegenliebe. Da habe ich mir es erspart zu fragen, ob dieser Payment mäßig unterversorgte Mensch vielleicht die PayPal App auf seinem iPhone hat. Ich hätte ja meine, stets geladene, GeldKarte nehmen können, um ein Ticket für ihn zu kaufen. Das nur am Rande.

Für die Reise habe ich mich im REWE-to-Go am Kölner Hauptbahnhof noch mit etwas Proviant eingedeckt. Den Kleinbetrag von 3,80€ habe ich kontaktlos mit einer Debit MasterCard beglichen. Das erstaunt dort inzwischen auch niemanden mehr.

Mit dem ICE ging es nach Basel SBB und weiter mit Umstieg in Biel/Bienne mit einem Neigetechnikzug (ICN) nach Genf. Die Fahrt verlief inkl. der zwei Umstiege reibungslos. Im Zug habe ich meine letzten EUR-Münzen gegen einen Kaffee getauscht. Ich war ehrlich gesagt zu faul, um aufzustehen und selbst ins Bistro zu rennen oder den APS-Mitarbeiter mit der Karte loszuschicken.

In Genf angekommen, ging es erst einmal ins Hotel. Das ibis Centre Gare liegt nur wenige hundert Meter vom Hauptbahnhof und wurde vor Kurzem im neuen ibis Design renoviert. Das Frühstück hätte etwas umfangreicher sein können. Da bin ich aus Wien und Kraków ehrlich gesagt Besseres gewohnt. Ansonsten ist dieses Hotel nur zu empfehlen. Freundliche Mitarbeiter, gute Lage und bequeme ibis-Betten.

Da uns am ersten Abend nicht gerade nach Experimenten zu Mute war, zog es uns zum Essen ins Vapiano. Im Nachhinein betrachtet war das wohl ein Fehler. Das Preisniveau lag, wie in der Schweiz üblich, mind. um den Faktor 2,5 höher als in Deutschland. Dafür war das Essen OK, aber nicht brilliant. Zu ähnlichen Preisen haben wir in Genf Besseres erhalten.

Beim Vapiano fiel zuerst auf, wie normal DCC mittlerweile in der Schweiz ist. Dieses System, dass dem Kunden den Service bietet, in Heimatwährung zu bezahlen, ist aufgrund der schlechten Wechselkurse ein Quell ständigen Ärgers. Vorgabemäßig war an den Würfelterminals die Belastung in EUR eingestellt. Die Bedienung (Pfeiltaste nach unten oben am Würfel, dann OK unten auf dem PINPad) ist für Ungeübte doch etwas gewöhnungsbedürftig.

Weiter ging es in eine Brasserie am Place du Molard mit Hausbrauerei. Ein halber Liter Bier kostet, je nach Sorte, zwischen 8,40€ und 9,40€. Hier wurden ebenfalls alle Karten genommen und es kam wieder die Frage nach DCC.

Den Rückweg haben wir mit der Tram angetreten. Das ist übrigens eine ganz tolle Sache der Genfer Hoteliers. Jeder Gast erhält für die Dauer seines Aufenthalts eine Karte für den ÖPNV. In unserem Fall war diese drei Tage gültig, was einem Preisvorteil von 30 CHF entspricht.

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Das ÖPNV-Netz ist gut ausgebaut. Es fahren in dichtem Takt eine Vielzahl von Bussen, Trolleys und Trams. Die Durchschnittsgeschwindigkeit in der City liegt aber irgendwo im Bereich den man auch zu Fuß schaffen könnte. Für diejenigen, die ihre ÖPNV-Tickets bezahlen müssen, bieten die Automaten neben der Zahlung mit CHF und EUR (!)-Münzen auch die Akzeptanz aller gängigen Karten an. Das las sich auf einer Travelseite zu Genf übrigens ganz anders. Das nur am Rande.

Insgesamt zwei Mal waren wir in der Spaghetti Factory zu Mittag. Das Essen war um Längen besser als im Vapiano Genf, die Mitarbeiter super aufmerksam und freundlich und überraschte dadurch, dass DCC gar nicht erst angeboten wurde. Man hatte seine mobilen Terminals auch nicht von Six….

Abends hatte ich noch einen englischen Pub im Visier, aber dort gab es keine Akzeptanzzeichen der Tür, dafür aber Burger zu McDonalds-Konditionen (11 CHF). Also haben wir noch etwas weitergesucht und eine nette Pizzeria gefunden. Dort hingen zwar auch keine Akzeptanzlogos, aber wir wurden dort quasi vom Chef mit den Worten „Credit card? No Problem!“ empfangen und in den Arm genommen. Das Pizzen waren wirklich gut, auch wenn Preise um 23CHF bei uns Touristen aus Niedriglohnländern ein Stöhnen hervorrufen.

Die letzte Stationen waren ein Starbucks und die Hotelbar des ibis. Der Starbucks bot kein DCC an. Das Hotel jedoch schon. Die Dame an der Rezeption hat beim Checkout auch offen zugegeben, dass sie jedem Gast die Zahlung immer in Landeswährung empfiehlt.

Am Ende der Reise stand der (CHF) Bargeldzähler bei 0€. Das musste dann mit Hefeweizen im ICE gefeiert werden. Natürlich mit MasterCard bezahlt.

Was die Verbreitung der Kontaktloszahlung angeht: Eigentlich sieht man fast überall NFC-fähige Terminals. In der Gastronomie wo der Kellner das Terminal bedient, wird aber dennoch die Karte defaultmäßig gesteckt.

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Fazit:

Bargeldlos in der Schweiz geht, auch wenn es sicherlich Orte gibt, die noch keine Karten akzeptieren. Für einen umfänglichen Test müsste man aber auch Bäckereien, kleinere Dienstleistungsgeschäfte etc. mit einbeziehen. Dazu war in den zwei Tagen aber leider keine Zeit. Im und um den Genfer Hauptbahnhof hat man aber überall die Akzeptanzlogos der gängigen Kartenanbieter in der Tür hängen sehen.

Update zum Thema DCC:

Der Schweizer Zahlungsdienstleister verspricht den Kunden eine Rückerstattung, wenn der Kurs seiner Hausbank günstiger als DCC sein sollte. Das finde ich in sofern bemerkenswert, als dass dies bei den im Terminal angezeigten Kursen durchgängig der Fall war. Da hofft man wohl darauf, dass der Kunde zu faul ist.

Marc-Oliver Schaake

Lotus / IBM / HCL Notes Professional Mag Reisen mit dem Zug, insbesondere mit Nachtzügen Kartenzahler seit 1987

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