19. März 2024

Wie weit kommt man eigentlich ohne „Kreditkarte“

Für uns Paymentnerds stellt sich die Frage eher selten. Meine erste Kreditkarte (eine Eurocard der Deutschen Bank) hatte ich bereits mit Anfang 20. Damals war Helmut Kohl noch Kanzler, der InterRegio ein menschlicher Zug und niemand wäre auf die Idee gekommen, bei McDonalds nach veganen Burgern zu fragen.

Vielmehr geht es uns eher um die Frage, welches Zahlungsmittel die besten Konditionen für den Fremdwährungseinsatz bietet, das beste Loyaltyprogramm hat oder – und auch das gibt es – kostenlosen Bargeldbezug am Automat der XY-Bank in Patagonien ermöglicht.

Kurzum: Dass man etwas trotz vorhandener Liquidität gerade nicht bestellen, kaufen und/oder bezahlen kann, ist ein Störfall der bei uns ähnlich wahrscheinlich ist, wie eine Kernschmelze im Kraftwerk von Springfield. Oder war es doch Biblis?

Diskutiert man mit Freunden und Familie über günstige Schnäppchen im Internet oder das tolle Erlebnis mit dem Nahverkehrssystem in London, hört man sehr oft „Aber ich habe keine Kreditkarte“. Meist wird ein zutiefst trotziges „UND ICH WILL AUCH GAR KEINE !!!!!1!!elf“ nachgeschoben.

In so einer Situation macht es auch wenig Sinn darauf hinzuweisen, dass die meisten der in Deutschland ausgegebenen VISA und Mastercards Chargekarten sind, es diese bei Direktbanken meist kostenlos gibt und wer mehr auf Debit steht, von beiden Schemes auch Debitkarten erhalten kann.

Betrachtet man Statistiken, nachdem viele Deutsche nicht nur häufig ihre komplette Urlaubskasse in bar mit sich führen, sondern auch niemals irgendetwas auf einer Webseite außerhalb Deutschlands gekauft haben, so wundert einen das nicht wirklich.

Anlass genug, sich einmal damit zu beschäftigen, wie ein Leben ohne Mastercard und VISA aussehen könnte und wo man an Grenzen stößt.

Bezahlen am POS

Klar ist: Im Inland hat man mit einer girocard in Geschäften und Restaurants kein Problem. Ganz im Gegenteil: Die nationale Debitkarte ist aufgrund der niedrigen Kosten die wohl beliebteste bargeldlose Bezahloption, wenn man ganz deutsch, nicht sowieso bar bezahlt.

Inzwischen unterstützen auch immer mehr Terminals die kontaktlose Bezahlung mit der girocard. Noch vorhandene Akzeptanzlücken lassen sich bei einigen Banken mit der neuesten Kartengeneration schließen, die auch Maestro bzw. V-Pay kontaktlos anbietet.

Beim Kauf höherwertiger Güter, die nicht zur direkten Mitnahme bestimmt sind, verzichtet man bei Nutzung der girocard aber auf die Möglichkeit des Chargebacks falls die Ware nicht geliefert wird. Hier empfiehlt es sich auf die sog. Anwendungsauswahl zu bestehen und die Zahlung über Maestro bzw. V-Pay abzuwickeln, da diese Verfahren auch Chargeback bieten. Je nach Händler erscheint nach Stecken der Karte oder durch Druck der „Auswahl“-Taste ein Menü mit den auf der Karte vorhandenen Bezahlverfahren.

Mit den auf nahezu jeder Bankkarte vorhandenen Co-Badges ist man weiterhin auch auf Reisen ins EUR-Ausland gut gerüstet. Maestro funktioniert dabei (theoretisch) weltweit, während man mit V-Pay außerhalb der EU und Anrainern auf Schwierigkeiten stoßen wird.

Dennoch ist es meist keine gute Idee, mit der Bankkarte außerhalb der EUR-Zone zu bezahlen. Neben den „normalen“ Auslandseinsatzentgelten, die i.d.R. zwischen 1% und 2% liegen, verlangen viele Banken pro Zahlung eine Gebühr. Bei den Sparkassen liegt sie meist zwischen 77 Cent und 1,50€. Ähnlich sieht es bspw. bei der Deutschen Bank aus.

Für den Urlaub in der Karibik, aber auch den Trip nach Polen oder London, empfiehlt es sich auf jeden Fall, eine Mastercard oder VISA zu beantragen.

Bargeldbezug

Innerhalb Deutschlands bietet die girocard meist den kostenlosen Bargeldbezug an Automaten der eigenen Bankengruppe oder deren Kooperationspartner.

Reist man ins Ausland, so kostet jede Barabhebung eine Gebühr. Einzig mir bekannte Ausnahme ist die comdirect, mit deren girocard man im EUR-Raum an jedem Geldautomaten kostenlos Bargeld ziehen kann, solange der Betreiber nicht ein direktes Kundenentgelt verlangt. Die Deutsche Bank hatte zumindest früher auch einige Kooperationspartner im Ausland.

Hier ist man, sowohl im In- als auch Ausland, mit einer Kreditkarte die kostenlosen Bargeldbezug ermöglicht besser aufgestellt.

Bezahlen am Automaten

Fahrkartenautomaten im öffentlichen Nahverkehr und bei der Bahn akzeptieren die girocard in der Regel immer, insofern bargeldlose Zahlung (jenseits der GeldKarte) angeboten wird. Meist ist hierfür eine PIN-Eingabe notwendig.

Bei Parkautomaten kann es vorkommen, dass lediglich „echte“ Kreditkarten akzeptiert werden. Selbst die Debit-Varianten von N26 & Co. funktionieren hier meist nicht. Das liegt daran, dass diese Automaten häufig ohne Netzanbindung arbeiten und der Betreiber das Zahlungsausfallrisiko so versucht zu verringern. Neuere Automaten hingegen arbeiten hingegen online und verarbeiten auch die girocard.

Sonstige Verkaufsautomaten (bspw. Selecta) oder die allseits beliebten Sanifair-WC setzen an den meisten Standorten noch ausschließlich auf die internationalen Verfahren. Hier muss es dann schon eine der neueren girocards mit kontaktlosem Co-Badge sein.

Onlinehandel

Auch wir Deutschen lieben Online-Shopping. Anders, als in vielen anderen Ländern üblich, nutzen wir jedoch seltener die Kreditkarte hierfür. So verwundert es auch nicht, dass deutsche Webshops einen bunten Strauß an Bezahloptionen anbieten.

Neben der Lastschrift oder Lieferung auf Rechnung gibt es diverse Dienste für das sofortige Auslösen einer Überweisung (giropay, Paydirekt, SOFORT) und natürlich den Marktführer Paypal, der auch den Einzug von deutschen Bankkonten per Lastschrift ermöglicht.

Abgesehen von einem inzwischen eingestellten Piloten, hat es die girocard noch nicht in den Online-Handel geschafft. Die DK hat aber erst letztens bekräftigt, einen neuen Anlauf unternehmen zu wollen.

Stöbert man in internationalen Webshops, so findet sich meist auch die Bezahloption Paypal. Gleiches gilt auch für den Google Play Store und den AppStore von Apple.

In sofern kann man sagen, dass die Einschränkungen die man ohne Kreditkarte erfährt überschaubar sind, solange man sich im Mainstream bewegt. Abseits davon, wird es ohne Kreditkarte unmöglich, dort einzukaufen. Da wird dann gerne mal jemand aus der Familie gefragt, ob sie oder er nicht einspringen können.

Auf Reisen

Als Reiseweltmeister und Schnäppchenjäger sind wir Deutsche stets auf der Suche nach dem nächsten Ziel für einen Urlaub oder einen Städtetrip.

Wie im Onlinehandel auch, bieten die meisten auf Deutschland ausgerichteten Reisewebsites (inklusive Deutsche Bahn, Flixbus und diverse Airlines) auch die Möglichkeit der Bezahlung per Lastschrift oder Sofortüberweisung.

Der Teufel steckt hier aber im Detail.

Bei der direkten Buchung von Hotels über deren Webseiten erhält man den günstigsten Tarif i.d.R. nur bei vorheriger Bezahlung. Vielfach werden zwar neben den allseits bekannten Kreditkarten auch Verfahren zur Sofortüberweisung angeboten.

Zumindest aber bei Accor sind dies meist die Verfahren, die im Zielland üblich sind und nicht, was irgendwie zielführender wäre, die des Wohnortes des Buchenden.

Üblicherweise garantieren Hotels die Bereitstellung des Zimmers nur bis 18:00 am Anreisetag, es sei denn man hinterlegt die Daten einer, ihr könnt es euch denken, Kreditkarte.

Eine der ersten Fragen beim Check-In im Hotel? Natürlich nach einer Kreditkarte auf der man eine Vorautorisierung vornehmen möchte, um neben dem evtl. noch offenen Preis für die Übernachtung auch den Konsum an der Hotelbar, der Minibar oder die Nutzung des Festnetztelefons abzusichern. Zumindest im Ausland reagieren die Mitarbeiter an der Rezeption gerne hilflos bis zuweilen verstört, wenn man keine Kreditkarte vorweisen kann.

Das gleiche Spiel erwartet einen bei der Buchung eines Mietwagens, wenn es um die Hinterlegung einer Kaution geht.

Wer vor Museen und Sehenswürdigkeiten nicht Stunden in der Schlange verbringen möchte, bucht sich seine Tickets vorab im Internet. Ich bin in der Vergangenheit auf viele Angebote gestossen, wo lediglich VISA und Mastercard akzeptiert wurden. Keine Kreditkarte = Schlangestehen oder eine teurere geführte Tour buchen, die über die Hotelrezeption organisiert wird.

Realitätscheck Spanienurlaub

Angesichts des Tests der neuen SparkassenCard wollte ich es mal etwas genauer wissen. Wie weit kommt man eigentlich nur mit einer „EC-Karte“. Da war es sehr praktisch, dass mein Jahresurlaub in Andalusien anstand.

Wie so häufig sollten wir die Tour mit dem Auto machen, um vor Ort mobil zu sein. Da 2500km am Stück doch etwas happig sind, haben wir dieses Mal einen Zwischenstop in Perpignan, kurz vor der Grenze zu Katalonien, eingelegt.

Die Buchung des Hotels am spanischen Zielort erfolgte formlos per E-Mail. Eine Anzahlung musste nicht geleistet werden. Das Hotel für die Zwischenübernachtung habe ich auf der Webseite von Accor als flexible Rate mit Zahlung vor Ort gebucht. Man weiß ja nie.

Da wir absehen konnten, nicht vor 18:00 am Zielort einzutreffen, habe ich den Online-Checkin per Webseite genutzt. Damit das funktioniert musste ich die Daten meiner Mastercard eingeben. Ohne Kreditkarte hätte ich hier direkt telefonisch betteln müssen, die Zimmer doch bis 21:00 frei zu halten. Dank Fast-Checkout hieß es am nächsten Morgen einfach nur Zimmerkarte einwerfen und weiterfahren.

Wie in Frankreich und Spanien üblich, sind weite Teile des Autobahnnetzes mautpflichtig. Während der französische Betreiber APRR sämtliche Bezahlkarten laut Webseite ohne Einschränkungen akzeptiert, schränkt VINCI (ebenfalls Frankreich) die Akzeptanz auf Mastercard, VISA und CB ein. Während bei Maestro und VISA Electron explizit auf die Nichtannahme hingewiesen wird, gestattet man die Verarbeitung von Karten, die ab dem ersten Euro eine Online-Autorisierung erfordern „in einigen Netzwerken“. Was immer das auch bedeuten mag.

Spätestens hier wäre unsere bargeldlose Reise beendet gewesen und man hätte ausreichend Banknoten parat halten müssen. Gerade zur Hauptreisezeit gibt es allerdings an den Barkassen lange Schlangen von zumeist deutschen Urlaubern.

In Spanien werden ebenfalls lediglich VISA und Mastercard, neben diversen Flottenkarten (wie auch in Frankreich), akzeptiert.

An den Autobahnraststätten und Tankstellen war das Bezahlen selbst von Kleinstbeträgen mit Maestro kein Problem. Viele Kaffeeautomaten wurden inzwischen auf kontaktloses Bezahlen umgerüstet.

Eine Besonderheit erlebten wir an einer Autobahntankstelle in Frankreich. Man hatte die Wahl entweder direkt an der Säule mit Kreditkarte zu bezahlen (Reservierung upfront von 125€) oder mit Bankkarten in der Tankstelle selber. Da der Kassenraum doch arg weitab lag, haben wir uns für den Automaten entschieden.

Am Zielort angekommen war – Stammgast – beim Checkin keine Hinterlegung einer Kreditkarte notwendig. Getränke und das optionale Abendessen im Hotel kann man auf die Zimmerrechnung buchen lassen oder gleich bar bezahlen. Es gibt zwar mobile Kartenterminals, aber die liegen an der Rezeption, so dass angesichts von Kaffeepreisen um die 1,30€ niemand ernsthaft auf die Idee kommt, den Aufwand zu betreiben.

Eintrittskarten für einige Sehenswürdigkeiten, wie bspw. den Besuch der Alhambra in Córdoba, bucht man sinnvollerweise vorab (teilweise Wartezeiten bis zu drei Wochen!). Hier mag man, wie auch an vielen anderen Stellen im Netz nur Mastercard und VISA. Paypal muss man lange suchen.

In den Geschäften und Restaurants, seien sie noch so klein, ist das kontaktlose Bezahlen inzwischen Standard. Es werden in der Regel immer die vier bekannten Systeme Mastercard, Maestro, VISA und V-Pay akzeptiert.

Trinkgeld lässt sich hier unten in den wenigsten Fällen per Karte geben. Von daher empfiehlt es sich, niemals komplett ohne Münzen und Scheine aus dem Haus zu gehen.

Fazit

Auch wenn wir Payment-Nerds es meist nicht wahrhaben wollen: Mit einer girocard kommt man als normalsterblicher Durchschnittsdeutscher eigentlich ganz gut zurecht und muss sich im Inland theoretisch nur gelegentlich einmal einschränken.

Aber selbst eine nun wirklich nicht ungewöhnliche Spanienreise mit dem Auto bargeldlos durchführen zu wollen, endet spätestens an der zweiten Mautstation in Frankreich.

Die meisten werden nun entgegnen, dass man ja auch nie komplett ohne Bargeld verreisen würde. Insbesondere die Mautsituation ist ja hinlänglich bekannt und auf der ADAC-Webseite beschrieben.

Aber – und das sollte sich jeder fragen – wieso sollte man sich überhaupt einschränken wollen, wenn es immer noch zahlreiche kostenlose Angebote seriöser Kreditinstitute für eine Kreditkarte gibt?

Selbst wenn eine solche Karte im Alltag weder benötigt, noch eingesetzt wird, wieso nicht einfach beantragen? Die zusätzliche Sicherheit die eine Mastercard oder eine VISA-Karte bieten, beruhigt ungemein. Und sei es nur, um das Rückflugticket zu bezahlen, wenn während des Urlaubs die Airline das Zeitliche gesegnet hat. Oder man sich einfach auf der Autobahn in die stets kürzere Schlange stellen kann.

Marc-Oliver Schaake

Lotus / IBM / HCL Notes Professional Mag Reisen mit dem Zug, insbesondere mit Nachtzügen Kartenzahler seit 1987

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