Wer kennt sie nicht, die Verkäuferinnen und Verkäufer der Obdachlosenmagazine, die häufig vor Supermärkten oder im Nahverkehr ihre Zeitschriften anbieten oder um eine kleine Spende bitten. Gerne auch begleitet von ihren treuen Vierbeinern.
Corona setzt ihnen gleich mehrfach zu. Es sind weniger Leute auf den Straßen unterwegs, die etwas Geld geben könnten. In vielen Städten sind Hilfsangebote wie Wärmstuben Pandemie-bedingt geschlossen worden und die Angst vor Ansteckung hält Menschen zusätzlich auf Distanz. Da ist der zunehmende Trend hin zum bargeldlosen Bezahlen, der durch Corona in Deutschland einen regelrechten Boom erfahren hat, ein weiterer Schlag in die Magengrube.
„Sorry, kein Kleingeld!“
Diese Antwort hören die Verkäuferinnen und Verkäufer wohl hunderte Male am Tag, wenn sich die Angesprochenen nicht gleich stumm abwenden. War dies früher eine Ausrede, um nicht ein wenig Geld geben zu müssen, so gibt es heute auch in Deutschland immer mehr Menschen, die wirklich kein oder nur wenig Bargeld mit sich herumtragen. Ich lebe seit Jahren äußerst bargeldarm und muss leider auch häufiger abwinken, würde aber im Falle einer bargeldlosen Möglichkeit zu spenden gerne auch etwas geben.
In Diskussionen um die Gefahren des bargeldlosen Bezahlen werden daher auch immer wieder Obdachlose, Kinder und Rentner*innen eingebracht, um gegen die Nutzung von Karten zu wettern. Derartige Beiträge erhalten häufig sehr viel Zuspruch, da viele Menschen sich einfach nicht vorstellen können, dass es auch dafür praktikable Lösungen gibt.
Beispiel Stockholm
Bereits 2013 berichteten deutsche Medien über das Magazin „Situation Stockholm“, das ihre Verkäufer*innen mit Kartenlesegeräten ausgestattet hat. Übrigens ein zusätzliches Angebot zu „Swish“, einer App die Überweisungen zwischen Privatpersonen über die Mobilfunkrufnummer ermöglicht und besonders bei kleineren Gewerbetreibenden als Möglichkeit zur bargeldlosen Bezahlung bspw. auf Wochenmärkten oder Straßenverkäufen beliebt ist.
In Deutschland dauern die Dinge halt alle ein wenig länger. Technologiefeindlichkeit, übersteigerte Angst vor Datenmissbrauch, die so häufig mit völlig offenem Profil auf Facebook vorgetragen wird und einem Hang dazu, mögliche Verhinderungsgründe aufzuführen konnten aber nicht verhindern, dass man beim Düsseldorfer Streetmagazin „fiftyfifty“ nunmehr auch diesen Weg gegangen ist.
„fiftyfifty“ mit SumUp
Seit einigen Wochen testet man dort mit mPOS-Terminals von SumUp. Diese Terminals unterstützen die internationalen Kartensysteme Maestro, V-Pay, Mastercard, VISA und American Express. Wer mit einer deutschen girocard bezahlen möchte, kann dies kontaktlos nur dann tun, wenn auch das sog. Co-Badge (Maestro, V-Pay) kontaktlos funktioniert. Bei den Sparkassen und der DKB ist das bspw. seit der Kartengeneration ab 2019 der Fall. Ansonsten muss die Karte gesteckt werden und die PIN am Terminal eingegeben werden was gerade jetzt eher abschrecken dürfte.
Aktuell kommen SumUp Air zum Einsatz. Für den Betrieb wird zusätzlich ein Smartphone benötigt. Auch wenn die Kosten für die Hardware überschaubar sind und sich bspw. gespendete ältere Android-Telefone verwenden lassen, so müssen die Verkäufer*innen schlichtweg zwei Geräte mitschleppen die mehr oder minder regelmäßig an eine Steckdose wollen. Was für unsereins kein Problem darstellt, dürfte im harten Alltag der Straße schon zu Problemen führen.
Da bin ich gespannt, welche Erfahrungen man in Düsseldorf mit der Technik, aber natürlich auch mit der Akzeptanz der Kundschaft für Erfahrungen machen wird.
Das Fehlen einer einheitlichen Lösung der deutschen Kreditwirtschaft
Wie schön wäre es, wenn man sich gerade für solche Anwendungsfälle etwas unabhängiger von der Technik machen könnte. In Schweden gibt es „Swish“, in den Niederlanden „Tikkie“ und in Polen „Przelew na Telefon“. Alles Apps, mit denen es sich einfach Geld von einem Konto auf ein anderes transferieren lässt.
Aufgrund des langen Tiefschlafs der Deutschen Kreditwirtschaft sieht es hierzulande leider etwas anders aus. Im Bereich des Online-Payments ist PayPal unangefochtener Marktführer. Auch wenn für den hier beschriebenen Anwendungszweck ein ausgedruckter QR-Code des Verkäufers ausreichen würde, so dürfte das in der Praxis daran scheitern dass viele Kund*innen die PayPal-App nicht nutzen und ihre Zugangsdaten für die Anmeldung im mobilen Browser nicht parat haben.
Das in die mobile Banking-Apps integrierte Angebot der Sparkassen und Volksbanken, sowie einiger anderer Institute namens „Kwitt“ ist hier leider komplett außen vor. Um eine Zahlung auslösen zu können, muss die Rufnummer des Empfangenden im Adressbuch eingespeichert sein. Es gibt zwar noch einen kleinen Workaround aber der nimmt leider noch mehr Zeit in Anspruch.
Hier wäre es wirklich an der Zeit, endlich für bankenübergreifende, niedrigschwellige Angebote zu sorgen, die dann aber auch bitte in den Mobile Banking-Apps ohne zusätzlichen Download oder Registrierung sofort nutzbar sein müssen.
Fazit
Dass man bei „fiftyfifty“ trotz vieler offener Fragen mit mPOS-Terminals experimentiert, ist eine gute Sache. Ich hoffe, dass die Akzeptanz bei der Kundschaft vorhanden ist bzw. rasch wachsen wird. Der DK sei ins Hausaufgabenheft geschrieben, dass sie dringend eine praktikable Lösung für solche Anwendungsfälle schaffen muss!