28. März 2024
Bäckerei Junge bevorzugt bargeldloses Bezahlen

(Keine) Kartenakzeptanz: Das Blatt wendet sich

Seit Jahren steigt der Anteil der bargeldlosen Zahlungen auch in Deutschland kontinuierlich. Parallel sinkt auch der durchschnittliche Transaktionsbetrag, was darauf schließen lässt, dass auch die Deutschen stets weniger Bedenken haben, kleine Rechnungen mit Karte zu begleichen. Mit der Deckelung eines Teils der Kosten für die Abwicklung von Zahlungen mit Mastercard und VISA stieg auch deren Akzeptanz in vielen Branchen und schuf daneben die technische Grundlage für das kontaktlose Bezahlen von der die girocard wiederum profitieren konnte.

Soweit so gut. Die jährlichen Zuwachsraten lagen in den Jahren „vor Corona“ meist so um 5,5%, wobei 2019 nicht nur der Umsatz mit 6,1% im Vergleich zum Vorjahr leicht überdurchschnittlich wuchs, sondern die Anzahl der Transaktionen gleich um rund 11,8%. Da macht sich der Trend, kleine Alltagseinkäufe (kontaktlos) mit Karte zu bezahlen bereits bemerkbar.

Trotz der Kontinuität in der Verschiebung der Anteile in Richtung bargeldloser Zahlung, konnten die alljährlichen Jubelmeldungen über Eines nicht hinwegtäuschen: Die Konsument*innen machten zwar stets häufiger von der Möglichkeit der Kartenzahlung Gebrauch, in sofern diese angeboten wurde und vom Händler oder Gastronom gut sichtbar promotet wurde, aber nur wenige betraten mit der Erwartungshaltung, dort mit Karte oder Smartphone bezahlen zu können ein Geschäft. Auch 2019 konnte es passieren, dass ein Terminal seit drei Monaten unbenutzt in der Schublade einer Bäckerei lag, weil nirgends auf die Möglichkeit der Kartenzahlung hingewiesen wurde und die Kund*innen nicht aktiv danach gefragt haben, weil man es schlichtweg von einer Bäckerei nicht erwartet hat.

Und dann kam Corona

Neben den kontaktlosen girocards und Kreditkarten hat natürlich auch der Launch von Apple Pay Ende 2018 in Deutschland erste spürbare Veränderungen im Bezahlverhalten bewirkt. Mit Ausbruch der Corona-Pandemie und der gerade am Anfang der Verbreitung in Deutschland geschürten Angst vor Schmierinfektionen, traf der Handel einen Nerv in dem er aktiv zur Nutzung des kontaktlosen Bezahlens aufforderte. Einige Unternehmen haben sogar ganz die Annahme von Bargeld verweigert.

Quasi von jetzt auf gleich rüsteten viele Bäckereien ihre Filialen mit Terminals aus. Gastronom*innen, die während des ersten Lockdowns ihr Angebot auf den Außer-Haus-Verkauf umstellen mussten, verzichteten auf die bis dato häufig anzutreffenden Mindestumsätze, boten die Bezahlung per PayPal bei Abholung oder andere Lösungen an. Natürlich profitierten auch Plattformen wie Lieferando. War es bis dato häufig so, dass zwar per App bestellt wurde, aber an der Türe bar bezahlt wurde, so nutzten die Kund*innen immer häufiger die Möglichkeit der „kontaktlosen Lieferung“ und beglichen die Rechnung mit den in der App angebotenen Zahlungsmöglichkeiten.

Als sich die Situation Ende Juni etwas normalisiert hat, sah man vielerorts nagelneue Terminals, gerne auch mPOS-Terminals von SumUp oder iZettle.

Der Gewohnheitsfaktor macht sich bemerkbar

Nach den ersten drei Monaten Lockdown dürften die meisten eingesehen haben, dass kontaktloses Bezahlen nicht weh tut insofern man nicht ein Kontomodell nutzt, welches jede Zahlung einzeln bepreist. Dank Online-Banking und Banking-App wird auch bei kaum jemandem das gefürchtete Schreckensszenario eingetreten sein und der Überblick über die Finanzen verloren gegangen sein. Genauso wenig hat der Gesundheitscoach von der AOK angerufen und sich über die vielen Pizza-Bestellungen der letzten Wochen beschwert.

Irgendwann war es dann wohl auch bei den meisten soweit, dass die Kleingeldvorräte für das Trinkgeld für den Pizzalieferanten aufgebraucht waren. Glücklicherweise hatte Lieferando ein Einsehen und hat die im Zuge der Übernahme vieler anderer deutscher Lieferdienst-Portale eingestellte Trinkgeld-Funktion wieder aktiviert. Ein Segen! (Falls die Restaurantbesitzer das Geld auch wirklich auszahlen).

Aus Gewohnheit wird Erwartungshaltung

Zu der langsam aber kontinuierlich gewachsenen Gruppe von Menschen, die irgendwann die Bequemlichkeit der Kartenzahlung für sich entdeckt hatten, stießen plötzlich und unerwartet Heerscharen von Menschen, deren Angst vor einer Corona-Infektion die diffusen Ängste und Bedenken gegenüber bargeldlosen Zahlungsmethoden in den Hintergrund treten ließen. Wie von zahlreichen Expert*innen nicht anders erwartet, erklärte der überwiegende Teil der Neunutzer*innen, dass sie auch in Zukunft mehr bargeldlos bezahlen möchten. Da war sie also, die Initialzündung auf die wir alle so lange gewartet haben.

Natürlich gab es auch 2020 noch Umfragen, deren Ergebnisse nicht ganz so eindeutig waren und auch deutliche regionale Unterschiede, wobei es sich dabei nicht immer um ein Stadt-/Landgefälle handelt. In sofern muss man vorsichtig sein, wenn die ersten schon vom Ende des Bargeldzeitalters in Deutschland sprechen.

Aber wer 2020 mit offenen Augen durch Deutschland gegangen ist, dem begegneten immer häufiger Kontaktloszahler*innen an Orten, wo das noch ein Jahr zuvor nahezu undenkbar schien. Auch ist es mir in 2020 öfters passiert, dass ich nicht der einzige im Geschäft war, der sich über unverschämte Mindestumsätze oder erst gar keine Kartenakzeptanz aufgeregt hat und das Geschäft ohne Ware/Essen verlassen hat.

Da man über die Signifikanz persönlicher Beobachtungen bezogen auf den Gesamtmarkt immer trefflich streiten kann, bediene ich mich mal wieder einer Umfrage, nach der über die Hälfte der erwachsenen Deutschen gerne öfters bargeldlos bezahlen möchte, aber fehlende Terminals und auch nicht gekennzeichnete Akzeptanzstellen dies ausbremsen würden.

Fazit

Mehr Möglichkeiten am POS bargeldlos zu bezahlen steigert Nutzung und Erwartungshaltung. Gleichzeitig sinken die mitgeführten Bargeldbestände und die Bereitschaft für einen renitenten Gastronomen oder Einzelhändler einen Umweg über den nächsten Geldautomaten zu tätigen. Man darf ungeachtet der Möglichkeit von Bargeldauszahlung im Handel auch nicht  vergessen, dass immer mehr Banken die Anzahl der kostenlosen Bargeldabhebungen pro Monat begrenzen oder Bargeldabhebungen erst ab 50€ erlauben.

Gastronom*innen und Händler*innen sollten diese Entwicklung Ernst nehmen, denn in Zukunft wird es auch zwischen Flensburg und Garmisch immer häufiger heißen: „Nur Bargeld? Ihr Ernst? Dann halt nicht.“

Marc-Oliver Schaake

Lotus / IBM / HCL Notes Professional Mag Reisen mit dem Zug, insbesondere mit Nachtzügen Kartenzahler seit 1987

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