Diese Woche veröffentlichte der Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken, dass man für Mitte 2025 plane, die im Rahmen des Digital Services Act zwangsweise geöffnete NFC-Schnittstelle des iPhones zur Implementierung der girocard in der eigenen Banking App, zu nutzen.
Blicken wir ein wenig zurück. Als sich 2018 der Launch von Apple Pay in Deutschland abzeichnete, probierten Sparkassen und Genossenschaftsbanken noch den Aufstand. Beide Bankengruppen „machten auf dicke Hose“ und betonten, dass Apple in Deutschland nicht an ihnen vorbeikomme. Passend dazu hat man den deutschen Gesetzgeber noch ermutigt, in das Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz eine Forderung nach Öffnung der NFC-Schnittstelle zu schmuggeln.
Widerstand zwecklos
Es kam, wie es kommen musste. Im Dezember 2018 startete Apple Pay in Deutschland. Ohne die beiden großen Bankengruppen. Und ohne die girocard.
Der Erfolg auf der einen Seite, aber auch der Druck enttäuschter Kundinnen und Kunden auf der anderen Seite, sorgten sowohl bei den Volks- und Raiffeisenbanken als auch den Sparkassen für immensen Druck.
Im Dezember 2019 starteten die Sparkassen mit ihren Mastercard und Visa-Kreditkarten. Die Genossenschaftsbanken verschoben ihren zeitgleich geplanten Start ins Frühjahr 2020. Zu diesem Zeitpunkt standen die Sparkassen bereits kurz davor, ihre girocard für ihre Apple Pay Kunden zu virtualisieren. Seitdem sich abzeichnete, dass die Sparkassen wirklich an der Virtualisierung der girocard arbeiteten, wurden auch die Genossen regelmäßig gefragt, wie sie es denn mit ihrer girocard halten würden. Öffentlich winkte der BVR über lange Zeit ab. Stattdessen stellte man, i.d.R. kostenlos, eine Debitkarte (Deferred debit) von Mastercard oder Visa zur Verfügung.
Auf dem Irrweg
Dass man sich nun doch für die Implementierung der girocard entschlossen hat und hierfür die eigene Banking-App nutzen will zeigt, wie wenig beim BVR die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden zählen. Hier ging es alleinig darum, am Ende doch noch einen Sieg gegen Apple davongetragen zu haben.
Ich möchte jetzt gar nicht unbedingt ein Loblieb auf Apple Pay singen. Ich denke, der Erfolg spricht für sich. Eine Implementierung von HCE in einer Banking-App kann selbstverständlich auch gut funktionieren. Allerdings gilt das nur dann, wenn frei nach dem Motto „Du sollst keine Bank neben mir haben“, auf dem entsprechenden Endgerät genau eine solche App installiert ist. Das ist heutzutage aber absolut realitätsfern.
Nimmt man an, dass die Genossen weiterhin ihre Kreditkarten für Apple Pay anbieten wollen, so würde es nicht einmal eines Zweitkontos bei einer dieser „bösen Internetbanken“ bedürfen, um das Bezahlerlebnis zu ruinieren.
In der Kommunikationsfalle
Schlimmer noch als die technischen Aspekte, dürfte jedoch das daraus resultierende Kommunikationsdilemma sein, in welches man sich ohne Not hineinmanövriert hat. Um das zu verdeutlichen dekliniere ich einmal einen Teil der verschiedenen Optionen durch:
Möglichkeit 1: Nur die girocard wandert in die VR Banking App, virtuelle Debitkarte bleibt
Die Genossen gelten immer noch als Fangirls und Fanboys der girocard. Mit dem Bereitstellen einer Debitkarte von Mastercard bzw. Visa für die Nutzung von Apple Pay hat man aber eigentlich 2020 schon gezeigt, dass die girocard in vielen Fällen inzwischen längst verzichtbar ist.
Bleibt es dabei dass Mastercard und Visa-Karten via Apple Pay nutzbar sind, so signalisiert man seinen Kundinnen und Kunden genau das, was die Direktbanken ebenfalls machen, nämlich dass die girocard nicht mehr als eine Notfallkarte ist, die man im Alltag selten benötigt.
Möglichkeit 2: Die virtuellen Debitkarten verschwinden
Die virtuellen Debitkarten waren von der Abwicklung her schon 2020 veraltet. Im Grunde handelte es sich dabei um Kreditkarten mit einem monatlichen Verfügungsrahmen und zeitversetztem Einzug jeder einzelnen Belastung vom hinterlegten Girokonto.
Entschließt man sich nun diesen Kartentyp in Rente zu schicken, muss man auf jeden Fall dafür sorgen, dass auch das Co-Badge der girocard in der Banking App digitalisiert wird. Auch dann, wenn die jeweilige Bank sich vielleicht dazu entschieden hat auf V Pay zu setzen. Ansonsten droht auch hier Ärger mit der Kundschaft wenn das Bezahlen zum Glücksspiel wird, da stets mehr Terminals ohne girocard-Akzeptanz aufgestellt werden.
Möglichkeit 3: Der komplette Rückzug
Ebenfalls nicht ganz auszuschließen ist der komplette Rückzug von Apple Pay, schließlich möchte Apple von jeder Transaktion einen Anteil abhaben. Man muss allerdings schon sehr von seiner eigenen Lösung überzeugt sein um zum Schluss zu kommen, dass das keinerlei Reaktion bei den Kunden hervorrufen wird.
Apple Pay ist ja mehr als nur das Bezahlen am POS. Gerade das In-App Payment ist für viele ein echter Mehrwert. Ob man hier auf die gemeinsame Lösung von Amex, Mastercard und Visa „Click to Pay“ spekuliert? Auch sollte man nicht vergessen, dass die Öffnung der NFC-Schnittstelle bislang auf das iPhone beschränkt ist. Die genossenschaftliche girocard dürfte also auf der Watch außen vor bleiben.
Fazit
Ich wage zu bezweifeln, ob der BVR die Geschichte wirklich zu Ende gedacht hat oder ob man hier lediglich einen Sieg um des Sieges willen einfahren wollte, ganz gleich was Kundinnen und Kunden sowie die eigenen Mitarbeitenden in den Mitgliedsinstituten denken.
Die Attraktivität des eigenen Angebots wird man so jedenfalls nicht steigern können.
Update 16.06.2024
Wie teltarif.de unter Berufung auf den BVR berichtet, plant man auch die Kreditkarten in der VR Banking App zur Verfügung zu stellen. Apple Pay soll aber weiterhin erhalten bleiben.