Na, was ist denn jetzt los? In der letzten Woche forderte die verkehrspolitische Sprecherin von B90/GRÜNE im Berliner Abgeordnetenhaus separate Abteile für Frauen im Berliner Nahverkehr. Das ist in mehrfacher Hinsicht erstaunlich.
Zum Einen erst einmal, da sie explizit von Frauen spricht. Bei einer Grünen hätten wohl die meisten erst einmal erwartet, dass sie verschiedene vulnerable Gruppen mit einschließt und dafür einen Begriff verwendet, den die übergroße Mehrheit aller Menschen erst einmal googeln müsste.
Spannend aber auch, dass Antje Kapek als Beispiel Tokio bemüht, wo es abends entsprechende Abteile nur für Frauen ausgewiesen werden und nicht bspw. Kairo oder die Wüstenmetropole Dubai. Beides muslimisch geprägte Länder, wohingegen man Japan ja zur westlichen Hemisphäre zählen kann. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
So richtig beachtlich finde ich aber, dass Frau Kapek mit dieser Forderung zugibt, dass das subjektive Sicherheitsgefühl im Berliner Nahverkehr stark zu wünschen übrig lässt und die Verweise auf in der letzten Zeit erfolgte Übergriffe machen die Sache auch objektiv gesehen nicht gerade besser.
Bevor ich zu der Frage komme, für wie sinnvoll ich eine solche Forderung halte, ein kurzer Ausflug in die Vereinigten Arabischen Emirate.
Dubai Metro
Die Wüstenmetropole gilt vielen nicht nur als Ort des zur Schau gestellten Wohlstands, sondern ist auch ein Inbegriff der Sicherheit. Immer wieder begegnen einem auf Instagram (gestellte) Videos, in denen Menschen Wertgegenstände auf ihrer Motorhaube postieren und dann seelenruhig in einem Laden einkaufen gehen, ohne dass etwas geklaut wird. Abseits dieser Gags berichten allerdings fast alle Expats und Touristen davon, dass sie sich zu keiner Tages- und Nachtzeit jemals in Dubai unsicher gefühlt haben.
Die fahrerlosen Fahrzeuge der Metro sind in drei verschiedene Bereiche unterteilt. Neben dem allgemeinen Bereich für Reisende sind die beiden Endwagen als 1. Klasse („Gold Class“) bzw. Abteil für Frauen und Kinder ausgewiesen. Auf den Bahnsteigen weisen Markierungen auf den Standort der jeweiligen Wagen hin.
Die Metro ist ein bei Einheimischen und Touristen sehr beliebtes Verkehrsmittel. Abschnittsweise ist es daher ganztägig sehr voll. Körperkontakt bleibt da nicht aus. Da macht es schon Sinn, den Aufpreis für ein Ticket in der Gold Class zu bezahlen, denn auch die für Frauen und Kinder reservierten Bereiche platzen meist aus allen Nähten, bieten jedoch den Vorteil dass Frauen hier unter sich sind.
Die drei Bereiche werden übrigens durch normale Türen voneinander getrennt, so dass ein Durchgehen im Zug möglich ist. In sofern man sich überhaupt im Zug bewegen kann.
Die Geschlechtertrennung endet dann aber wieder auf dem Bahnsteig. Genau so, wie es bei Frau Kapeks Vorschlag auch in Berlin wäre.
Wie sinnvoll ist der Vorschlag
Die Erfahrung aus Dubai zeigt, dass während der Rush Hour ein solches Konzept durchaus Vorteile hat. Das gilt aber auch für das Vorhandensein einer ersten Klasse, die gerade bei der Grünen Jugend und den Jusos nicht sehr beliebt ist. Wenn ich möchte, dass öffentliche Verkehrsmittel nicht nur von Leuten benutzt werden die keine andere Wahl haben, so sollte man auch ein wenig an das Wohlbefinden und die Ansprüche der verschiedenen Nutzergruppen denken. Allerdings ist das nun mal nicht so einfach.
Abgesehen davon, dass man bei der U-Bahn bewusst auf durchgängige Fahrzeuge gesetzt hat, um Fahrgästen die Möglichkeit zu geben, im Falle des Falles nicht in einem Viertelwagen mit aggressiven Mitfahrern eingeschlossen zu sein, ist der Vorschlag auch an vielen anderen Stellen alles andere als durchdacht.
Im Berliner Netz gibt es viele Bahnhöfe deren Besuch schon tagsüber ein hohes Maß an Überwindung erfordern. Aber gerade bei Nacht, wenn nicht mehr so viele Menschen unterwegs sind, sind die langen Gänge und schlecht einsehbaren Ecken auf den Bahnsteigen und den Zwischenebenen für viele Menschen Angsträume. Um die Bahnhöfe herum sieht es häufig auch nicht viel besser aus.
Die Erfahrung lehrt aber auch, dass das durch deutsche Datenschutz- und Persönlichkeitsrechte-Paranoia stark beschnittene Mittel der Videoüberwachung keine Straftaten verhindert. Täter fühlen sich nach einem Rückgang in der Vergangenheit, trotz Kameras anscheinend so sicher, dass sie selbst in einer fahrenden U-Bahn Straftaten begehen. Warum ist das so? Vier Gründe:
- Aufnahmen werden in Berlin nach 48 Stunden gelöscht, d.h. es besteht eine große Wahrscheinlichkeit dass die Kameras zwar etwas aufgezeichnet haben, aber wenn Opfer sich nicht rechtzeitig bei der Polizei melden (können), diese gelöscht werden
- Angesichts der Anzahl von Kameras in Fahrzeugen und Bahnhöfen ist die Wahrscheinlichkeit, dass durch manuelle Draufsicht bedrohliche Situationen erkannt werden und Sicherheitskräfte rechtzeitig am nächsten Bahnhof bereit stehen, gleich Null.
- Mitreisende schauen aus Gleichgültigkeit oder Angst häufig weg. Da Täter in den letzten Jahren immer rücksichtsloser vorgehen und selbst Menschenleben in Kauf nehmen, ist ein Eingreifen weder wahrscheinlich noch anzuraten.
- Selbst wenn Videomaterial sichergestellt werden konnte, beginnt ein langer Prozess der Ermittlungen. Bis die Öffentlichkeit ein Fahndungshinweis erreicht, vergehen nicht selten Monate. Sollte ein Tatverdächtiger ermittelt werden, dauert es bis zur Verurteilung immer noch recht lange und nicht selten bleiben Täter mit festem Wohnsitz bis zu einer möglichen Verurteilung auf freiem Fuß
Was muss also wirklich passieren?
Wenn die politisch Verantwortlichen wirklich etwas für die Sicherheit im Personennahverkehr tun wollen, dann müssen einige der einst mit notwendigen Einsparungen begründeten Maßnahmen der letzten Jahrzehnte zurückgedreht werden. Dazu gehört zuerst einmal, dass Bahnhöfe wieder mit Personal besetzt werden, so wie man es auch in vielen westeuropäischen Ländern heute selbstverständlich noch vorfindet.
Zu bestimmten Zeiten und auf bestimmten Linien müssen Fahrzeuge von Sicherheitspersonal begleitet werden, welches aber auch Vertrauen und Sicherheit ausstrahlt. In der Vergangenheit gab es bspw. bei der Berliner S-Bahn immer wieder Beschwerden, dass man die Teams des Prüfdienstes kaum von Hooligans unterscheiden könne.
Neben einer längeren Speicherdauer der Videoaufzeichnungen müssen Systeme beschafft werden, die selbständig Bild- und Ton in Echtzeit auswerten und auf möglicherweise gefährliche Situationen sofort hinweisen, so dass die Leitstelle die notwendigen Maßnahmen ergreifen kann.
Und last but not least muss der Staat gewährleisten, dass Strafverfahren zügig abgeschlossen werden und im Falle von Gewaltverbrechen auch abschreckende Urteile gefällt werden. Es nützt nämlich alles nichts, wenn Opfer das Gefühl haben, auf sich alleine gestellt zu sein und dass den Tätern eh nichts geschieht.
Sicher, das alles kostet Geld und es bedarf viel Personals, welches gerade sehr schwer zu finden ist. Darüber hinaus ist auch zu erwarten, dass eine Ausweitung und technische Aufrüstung der Videoüberwachung auf politischen Widerstand, gerade auch bei den Grünen, treffen wird.
Wenn ich aber wirklich etwas für das Sicherheitsempfinden und die Sicherheit der ÖPNV-Nutzerinnen und Nutzer tun möchte, dass sollte es mir das aber auch wert sein. Ist es das nicht, dann sollte man sich solche Vorschläge einfach sparen.