15. Oktober 2024
ALDI Süd

Sorgt die Corona-Angst für einen weiteren Schub beim bargeldlosen Bezahlen?

Als cashless-afficionado reibt man sich in diesen Tagen verwundert die Augen (nicht tun!). Die großen Ketten des Lebensmitteleinzelhandels waren mit einer Ausnahme in den letzten Jahren sicherlich Vorreiter, was Kartenakzeptanz und kontaktloses Bezahlen angeht. Auch gab es immer mal wieder Aktionen wie bspw. mit Paypal oder der deutschen Kreditwirtschaft (girocard) um die Nutzung zu fördern. Ziel war es, den „Mindestumsatz“ aus den Köpfen der Konsumentinnen und Konsumenten zu bekommen und den Betrag des durchschnittlichen Bons weiter zu senken. So wirbt Lidl bereits seit vielen Wochen mit „kontaktlos ab dem 1. Cent“.

Neu hingegen ist, dass landauf, landab mal mit professionell gestalteten Plakaten, mal handgeschrieben auf Flipchart-Blöcken die Kundschaft gebeten wird, bargeldlos zu bezahlen, wenn nicht gar die Annahme von Bargeld temporär ganz ausgesetzt wurde, um das Kassenpersonal zu schützen.

Wer vor einem Jahr mit seiner Karte in einer deutschen Bäckerei bezahlen wollte, die nicht gerade im Terminal eines Flughafens lag, erntete meist Spott und Hohn. Inzwischen haben nicht nur die großen Franchise-Ketten Terminals angeschafft, sondern auch viele kleinere und mittelständische Betriebe, wie bspw. Junge in Norddeutschland oder Merzenich in und um Köln.

Einige Beispiele:

Dazu passt dann auch, dass der Anteil kontaktloser Zahlungen bei der deutschen girocard inzwischen 50% der Transaktionen ausmacht:

Das zeigt auch, dass die Konsumentinnen und Konsumenten offensichtlich die Convenience kontaktloser Bezahlmöglichkeiten inzwischen sehr schätzen und sich nicht durch die regelmäßig in Presse und Fernsehen verbreiteten Panikbeiträge verunsichern lassen. Nicht umsonst haben alle, die sich mit der Kontaktlos-Technologie seit Jahren beschäftigen immer wieder gesagt: „Einmal getappt, nie mehr gestoppt!“.

Die Deckelung der Interchange-Gebühr durch die EU hat der Akzeptanz von internationalen Debit- und Kreditkarten in Deutschland einen riesigen Schub gegeben. Mastercard und VISA haben ihrerseits einen großen Anteil daran, dass NFC-fähige Terminals längst zum Standard am POS gehören. Die girocard hat mit ihrem Marktanteil die Technologie für die Mehrheit sichtbar und erlebbar gemacht.

Auf die Schützenhilfe durch den Corona-Virus hätten wir alle sicherlich verzichten können. Für mich ist das Hygieneargument auch eines der Schwächsten pro Karte. Wenn man sich im öffentlichen Raum bewegt, fasst man im Sekundentakt Gegenstände an, die eine hohe Belastung mit Keimen, Bakterien und Viren aufweisen können. Insofern man zur PIN-Eingabe aufgefordert wird, muss man auch die Tastatur des Kartenterminals berühren. Da machen Scheine und Münzen dann auch nichts mehr aus.

Ob die Angst vor einer Infektion mit dem Corona-Virus dem bargeldlosen Bezahlen einen weiteren Schub geben wird oder ob sich die Marktanteilsverschiebung von Bargeld hin zur Karte in der bisherigen Geschwindigkeit fortsetzen wird, erfahren wir in ein paar Wochen.

Ich wage aber mal eine Prognose: Je deutlicher Handel und Dienstleister in diesen Tagen ihre Präferenz für bargeldlose Bezahlung zum Ausdruck bringen, desto eher wird sich die Bevölkerung von dem Irrglauben lösen, dass man dem Händler etwas Gutes tut wenn man bar bezahlt. Damit dürften dann auch die im Moment noch wenig beachteten Terminals in Bäckereien bald für eine signifikante Anzahl an Transaktionen sorgen.

Marc-Oliver Schaake

Lotus / IBM / HCL Notes Professional Mag Reisen mit dem Zug, insbesondere mit Nachtzügen Kartenzahler seit 1987

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