19. März 2024

Sparkassen starten „Mobiles Bezahlen“ mit girocard und Mastercard für Android

Aufgrund von betriebsbedingten Verzögerungen im Betriebsablauf setzte sich der Kontaktlos-Zug in Deutschland mit etwa zehn Jahren Verspätung in Bewegung. Eine verspätete Übergabe des Zuges aus dem Ausland kann allerdings mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.

Mit dem bundesweiten Start von girocard kontaktlos im Januar 2017 erhielt die Technologie erstmals Relevanz für Otto-Normalverbraucher. Schließlich ist die girocard für viele Bankkunden die einzige, einigermaßen regelmäßig, eingesetzte Karte. Kreditkarten, soweit überhaupt vorhanden, verschimmeln leider nicht zu selten im Portemonnaie oder der heimischen Schublade.

Inzwischen erfreut sich, trotz vieler reißerischer Berichte in den Medien, das kontaktlose Bezahlen immer stärkerer Beliebtheit. Es scheint sich also zu bewahrheiten, dass wer es als Kartenzahler einmal kontaktlos probiert hat, sich nie wieder vorstellen kann, anders zu bezahlen.

Mit soviel Rückenwind startet nun die nächste Stufe: Das mobile Bezahlen mit dem Smartphone. Vorreiter in Deutschland waren hier, neben den inzwischen längst wieder eingestellten Diensten der Mobilfunkbetreiber, die Deutsche Bank und die Postbank mit Mastercard resp. VISA.

Ende Juni startete dazu Google Pay mit Commerzbank, comdirect, N26 und boon. by Wirecard. Inzwischen haben sich auch Revolut und die LBBW / BW-Bank hinzugesellt. Bei LBBW und BW-Bank kommt die App „Mobiles Bezahlen“ daher auch nur für die girocard zum Einsatz. Kreditkarten werden direkt über Google Pay zur Verfügung gestellt.

Die Volks- und Raiffeisenbanken sind mit ihrer Lösung inzwischen mit zwei Banken live. Der Rest folgt noch im August.

Am 30.07. starteten insgesamt 308 der 397 deutschen Sparkassen ihren Dienst „Mobiles Bezahlen“. Acht Institute sind schon einige Wochen live, quasi als Generalprobe vor dem bundesweiten Rollout. „Meine“ Sparkasse in Bühl hat ihren Start auf den 01.08. gelegt.

Onboarding-Prozess

Frühe Mobile Payment-Lösungen setzten auf NFC-fähige SIM-Karten und eigene Bezahlkarten, für die eine erneute Identifizierung des Kunden notwendig waren. Aktuell tätige Anbieter wie Glase (früher SEQR) erfordern immer noch den Upload gescannter Dokumente zur Identifizierung.

Selbst wenn sich die Registrierung heute innerhalb weniger Minuten erledigen lässt, so bleibt am Ende des Tages doch die Erkenntnis, dass für Otto-Normalverbraucher die Registrierung bei einem ihm zumeist völlig unbekannten Anbieter einfach zu anstrengend ist, zumal Mobile Payment kein wirklich existentes Problem löst und aufgrund der immer noch lückenhaften Akzeptanz von Kartenzahlung (egal ob kontaktlos oder gesteckt) ein Leben ohne Portemonnaie noch in weiter Ferne erscheint.

Die Sparkassen machen es mit ihrer App den Kundinnen und Kunden so einfach wie möglich. Beim ersten Start der App „Mobiles Bezahlen“ wird nach der BLZ der Hausbank gefragt. In Zeiten von SEPA und IBAN dem Schrecklichen mutet das etwas ungewöhnlich an, aber gerade die älteren von uns können ihre BLZ sicherlich auch nach zehn Bier noch auswendig.

Danach wird man gebeten, seine Online-Banking-Daten einzugeben. Nach Verifizierung kann man dann die zur Verfügung stehenden Karten hinzufügen. Diesen Vorgang bestätigt man pro Karte mit einer TAN-Nummer, die bspw. per App oder TAN-Generator erzeugt werden muss. Beim Hinzufügen einer Mastercard muss zusätzlich die Ortungsfunktion des Handys aktiv sein.

Unterstützte Karten

Mit der App der Sparkassen lassen sich aktuell girocards und Mastercard virtualisieren. Die Unterstützung von VISA-Karten ist noch nicht vorhanden. Ebenfalls fehlen die auf den Sparkassenkarten vorhandenen Co-Badges Maestro resp. V-Pay.

Von meinen drei Mastercard-Karten die mit meiner Online-Banking ID verknüpft sind konnte ich allerdings nur meine private Karte hinzufügen. Die beiden noch vorhandenen Business-Cards tauchten in der Auswahl leider nicht auf.

Wer also nur eine – zumeist rote – Sparkassenkarte besitzt, wird die App nur im Inland benutzen können. Kunden von Sparkassen, die sich exklusiv an VISA gebunden haben, schauen außerhalb Deutschlands aktuell auch noch in die Röhre.

Die ersten Schritte

Kurz nach Eingabe der TAN-Nummer steht die ausgewählte Karte zur Verfügung. Die virtuelle girocard erhält dabei eine neue Kartenfolgenummer, so dass sich Umsätze der physischen und der virtuellen Karte auseinanderhalten lassen.

Eine Karte kann als Default-Karte definiert werden. Möchte man mit der anderen Karte bezahlen, so lässt sich dies durch Wischen und Klick auf das Häkchen-Icon bewerkstelligen.

 

Wer außer der Sparkassen-Lösung keine Bezahlapps verwendet, sollte diese als Default-Zahlungsmittel definieren. Das ist glücklicherweise nicht zwingend notwendig.

  

Allerdings erhält man dann stets eine Abfrage, ob man das nicht ändern möchte. Es gibt drei Sicherheitslevel für die Freigabe von Zahlungen: Bildschirm an, Gerät entsperrt und App gestartet. Zumindest im letzteren Modus sollte diese Abfrage unterbunden werden.

Für Zahlungen über 25€ benötigt man die gleiche PIN wie für die physische Karte. Die Autorisierung über bspw. den Fingerabdrucksensor des Telefons (CDCVM) ist aktuell noch nicht möglich, soll aber folgen.

Die ersten Zahlungen

Ich habe kurz nach der Aktivierung meiner beiden Karten einige Testkäufe durchgeführt. Zunächst knapp über 50€ via Mastercard an einer ARAL-Tankstelle mit dem als Mimose verschrienen ICP BIA-Terminal und im Anschluss zwei Kleinbeträge jeweils einmal mit girocard und Mastercard bei ALDI Süd.

Die Autorisierung bei ALDI Süd benötigte bei beiden Karten jeweils knapp unter einer Sekunde. Die Zahlung mit Mastercard bei ARAL und eine weitere an einem H5000-Terminal bei Netto bewegten sich im normalen Rahmen.

Trotz meines in Sachen NFC nicht gerade pflegeleichten BlackBerry KEYone gab es bei den Zahlungen keinerlei Probleme.

Fehlende Transaktionshistorie

Im Gegensatz zu anderen bekannten Lösungen erhält der Benutzer kein direktes Feedback, ob die Zahlung erfolgreich war.

Zahlungen mit girocard werden bei mir nicht als Vormerkposten dargestellt und damit erst am Folgetag des Kassenschnitts beim Terminal auf dem Konto sichtbar. Ob das damit zu Tun hat, dass die Hauptkarte über eine aktivierte Offline-Autorisierung von bis zu 500€ pro Woche verfügt, vermag ich leider nicht zu sagen. Der Theorie nach sollten alle girocard mobile-Transaktionen online autorisiert werden.

Bezahlt man mit der Mastercard, so kann man über die Funktion „Kreditkartenwecker (Kontowecker)“ eine E-Mail, SMS oder Push-Nachricht konfigurieren. Allerdings vergehen in der Regel zehn Minuten bis zum Erhalt.

Gebühren

Da jede Sparkasse ihre Preise selbst festlegen kann, gibt es hierzu keine allgemeingültige Aussage. Es gibt Sparkassen, die für die digitale Karte eine zusätzliches Jahresgebühr von 5€ verlangen, andere wiederum bieten den Dienst ihren Kunden zumindest in den Pauschalkontomodellen kostenfrei an. Das Gleiche gilt für das Bezahlen mit der digitalen girocard: Abhängig vom Kontomodell fallen entweder keine Kosten für eine Zahlung an oder es wird der gleiche Preis berechnet, wie mit einer normalen girocard-Zahlung. Bei Zahlung mit Mastercard fallen mit Ausnahme etwaiger Fremdwährungsentgelte keine Postengebühren an.

Wie immer empfiehlt sich hier ein Blick in das Preis- und Leistungsverzeichnis der jeweiligen Sparkasse. Dieses findet man zumeist erst nach dem Einloggen ins Online-Banking unter der Rubrik „Preise und Hinweise“.

Pluspunkte

Die einfache und schnelle Einrichtung und das sofortige Bereitstellen der digitalen Karten ist super gelöst. Die drei verschiedenen Sicherheitsstufen und die Möglichkeit als „Non-Default“-App nutzbar zu sein, sprechen für „Mobiles Bezahlen“.

Das Verwenden der PIN der physikalischen Karten, die sich dazu bundesweit an jedem Sparkassen-Geldautomaten ändern lässt, ist ein Segen für Leute mit mehr als zwei Bankkarten.

Die nun nicht mehr bestehende Notwendigkeit irgendwelche Prepaid-Konten zu führen und aufzuladen, macht die Nutzung sicherlich einfacher und attraktiver.

Schwachpunkte

Leider lässt sich nur eine Sparkasse hinterlegen. Wer bei mehr als einer Sparkasse ein Konto führt, muss sich für eine entscheiden. Wer darüber hinaus weitere NFC Bezahlapps verwendet, die u.U. auch wieder mehrere Karten enthalten, düfte so manches Mal an der Kasse für einen Rückstau sorgen oder aber mit der „falschen“ Karte bezahlen.

Fehlende CDCVM-Unterstützung und Transaktionshistorie (s.o.) sind Punkte, die dringend angegangen werden sollten.

Weiterhin sollten schleunigst auch Mastercard Business unterstützt werden. Gerade bei den eher selten genutzten Karten, ist es ein handfester Vorteil, diese nicht stets in Plastikform mit sich schleppen zu müssen.

Fazit

Die Lösung ist funktional und für den Normalverbraucher mit einem Bankkonto bestens geeignet. Mit girocard und Mastercard hat man eine sehr gute Abdeckung für das kontaktlose Bezahlen in Deutschland und in vielen anderen Ländern. Lediglich das Maestro/V-Pay-Land Niederlande sollte man ohne die zugehörige girocard/Maestro-Plastikkarte besser nicht bereisen.

Sobald die o.g. Schwachpunkte behoben sind, ist „Mobiles Bezahlen“ eine gute Alternative zu Google Pay auch wenn man aktuell noch nicht die vielen netten Spielereien der Google-Lösung zur Verfügung hat. Aber andererseits dürfte den meisten Konsumenten es eher unheimlich erscheinen, wenn das Handy an der Kasse daran erinnert, dass man gleich ja auch mit der App zahlen könnte.

Für Payment-Nerds und sonstige Kundinnen und Kunden mit x Bankkonten wäre das direkte Einbinden der Karten in Google Pay sicherlich eine erhebliche Erleichterung.

Weiterführende Informationen

 

Marc-Oliver Schaake

Lotus / IBM / HCL Notes Professional Mag Reisen mit dem Zug, insbesondere mit Nachtzügen Kartenzahler seit 1987

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