24. April 2024

„Work & Travel“ oder „Workation“: Lohnt sich das wirklich und für wen?

Ich gehöre seit vielen Jahren zu den Glücklichen, die für ihre Arbeit eigentlich nur einen Rechner, ein Telefon und einen vernünftigen Internetanschluss benötigen. Selbst auf Letzteren kann ich Dank HCL (Lotus) Notes und lokalen Datenbanken für einige Zeit verzichten.

In der Vergangenheit wechselte ich ständig zwischen den verschiedenen unserer Büros, dem Homeoffice oder arbeitete schlichtweg von unterwegs. Gerade bei meinen häufigen Wochenendtrips hat es sich als ganz praktisch erwiesen, Donnerstags die Reisezeit im Zug zum Arbeiten nutzen zu können, Freitags einige Stunden aus dem Hotelzimmer heraus tätig zu sein und dann das Reiseziel zu erkunden bevor alle anderen Wochenendtouristen einfallen würden.

Bereits Anfang des Jahrtausends hat sich ein Team von cpmo und GFI über mehrere Monate in einem Ferienhaus im niederländischen Brouwershaven eingemietet, um konzentriert an zwei Großprojekten arbeiten zu können. Dass am Ende noch mehrere Tausend Gulden für die Einwahl in einen Internet-Zugangsknoten in Goes fällig wurden, erklärt auch wieso sowas damals noch ziemlich unüblich war.

Corona: Remote Work statt Büro

Im März 2020 entschieden wir uns bei cpmo und GFI sehr schnell die Büros wegen der beginnenden ersten Corona-Welle zu schließen und diejenigen Mitarbeiter die nicht eh schon dauerhaft im Homeoffice für uns tätig waren, von zuhause aus arbeiten zu lassen. Das führte dann soweit, dass wir uns im Januar 2021 entschlossen haben, das Duisburger Büro komplett aufzugeben. Bis jetzt klappt das, von kleineren Kollateralschäden einmal abgesehen, sehr gut.

In dieser Zeit stolperte ich immer wieder über Blogposts und Artikel, in denen Menschen über „Work & Travel“ oder ihre „Workation“ berichteten. Trotz meiner Erfahrung mit mobilem Arbeiten hatte ich meine Zweifel, ob das alles wirklich so gut ist, wie es dort beschrieben wurde. Mehr dazu jedoch später.

Im September hat sich für die Möglichkeit ergeben dies für mich einmal auszuprobieren. Mein Vater wollte nach über zwei Jahren aus seiner Wohnung raus und schlug vor, doch gemeinsam nach Andalusien zu fahren und dort eine Weile zu bleiben und die Ausläufer des Sommers zu genießen. Im Gegensatz zu meinem Vater, der sich längst im Ruhestand befindet, hatte ich aber „den Arsch voll Arbeit“ wie man bei uns so schön sagt. Also musste irgendwie ein Kompromiss her.

Tips zur Vorbereitung im Netz: Von Captain Obvious bis „What?!“

Natürlich sollte eine solche Reise niemals ohne Vorbereitung laufen, liest man. Als einer der wichtigsten Punkte wird stets die Verfügbarkeit einer guten Internet-Verbindung genannt. Das sagt sich natürlich sehr einfach. Die Performance eines Hotel-WLAN ist stark abhängig von der Auslastung des Hotels und der Tageszeit. LAN-Steckdosen findet man zumindest in Touristenhotels eher selten. Bei Buchung einer privaten Unterkunft bspw. via AirBnB kann man den Gastgeber immer noch bitten, Beweisfotos mit Speed-Tests zu schicken.

Weiterhin wird einem geraten, sich einen Platz zum Arbeiten zu suchen, der mit möglichst wenig Ablenkung glänzt. Alleine das dürfte schon schwierig werden, wenn man sich bspw. in Mailand in einem Co-Working-Space in Nähe des Doms aufhält oder schlichtweg der Schreibtisch mit Ausblicks aufs Meer aufgestellt wurde. Da frage ich mich natürlich, wer seine „Work & Travel“-Experience in einem Bürokubus in einem Gewerbegebiet verbringen möchte.

Was bei den Tips selten bis gar nicht erwähnt wurde, ist ein Mindestmaß an Ergonomie. Wer mehr als nur mal ein bis zwei Stunden pro Tag seine Mails beantworten oder in einer Zoom-Session verbringen möchte, der sollte sicherstellen dass sich im Hotelzimmer ein Schreibtisch und (ganz wichtig) ein vernünftiger Stuhl befindet, die in Kombination auch das mehrstündige Arbeiten ermöglichen. Was in Business-Hotels meist noch irgendwie geht, sieht in Urlaubshotel häufig leider ganz anders aus! Die Idee, seine Arbeitszeit bei Starbucks & Co. zu verbringen, sollte man ganz schnell vergessen. Mal zwei drei Tage im legendären Cafe St. Oberholz (Berlin) zu verbringen, ist das Eine. Aber wer mag schon ernsthaft über mehrere Wochen inmitten der Geräuschkulisse eines Cafés seiner Arbeit nachgehen, geschweige denn den ganzen Tag auf irgendwelchen unbequemen Holzstühlen sitzen.

Darüber hinaus sollte man sich auch im Klaren sein, dass wenn man seine Arbeit ansonsten vor einer Wand von großformatigen Monitoren erledigt, der 15″-Bildschirm eines Notebooks sehr schnell nervt. Portable Displays mit USB-C-Anschluss können hier zumindest teilweise Abhilfe schaffen.

Natürlich stellt sich gerade bei „Work & Travel“ auch immer die Frage, wieviel Zeit man auf dem Weg zwischen verschiedenen Zielen opfert und wann man idealerweise die Orte wechseln sollte. Hier lautet der einhellige Tip, die Reisen möglichst auf das Wochenende oder aber die Abendstunden zu verlegen, um hierfür möglichst wenige Urlaubstage einzusetzen. Okay.

Vier Wochen Costa Tropical

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und da mein Vater und ich komplett konträre Interessen haben, ist es schwer auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Mich bekommt man weder in ein Flugzeug nach Übersee noch auf ein Kreuzfahrtschiff (Hallo Internet) und er erfindet tausend Gründe, warum er nicht mit der Bahn fahren will. Am Ende lief es dann immer auf ein bestimmtes Hotel in Andalusien heraus, welches zumindest für einen Teil unserer gemeinsamen Reisen angesteuert wurde.

Da ich wie gesagt arbeiten musste, haben wir die sonst üblichen Zwischenstops in einigen spanischen Städten übersprungen und haben auf der Hinfahrt lediglich in Irun eine Übernachtung eingelegt. Die Rückfahrt vier Wochen später erfolgte dann mit zwei Zwischenstops in Irun und Orleans. Hierbei haben wir jeweils ibis-Hotels angesteuert, die einigermaßen nah an der Autobahn lagen und über Hotelrestaurants verfügen, da nach einem langen Reisetag niemand mehr Lust hatte, noch groß in die Stadt zu fahren.

Das Hotel Salobreña gehörte früher zu Best Western, hat sich aber vor einigen Jahren von der Kette gelöst und seitdem einiges an Modernisierungen durchgeführt. Die Zimmer sind gemütlich und man kann an den Tischen ganz vernünftig arbeiten. Von früheren Aufenthalten wusste ich, dass das WLAN zwar eher mau ist, aber LTE-Sender auf dem Dach für schnelles Internet sorgten. Inzwischen bietet Orange dort sogar 5G an. Die Zimmer sind natürlich klimatisiert, was auch im September an einigen Tagen noch ganz nützlich war. Perfekt zum Arbeiten also!

Da sich das Hotel auf einem Felsen zwischen zwei Orten befindet und die Straße dazwischen keinen durchgängig geschützten Bereich für Fußgänger bietet, ist ein eigenes Auto unerlässlich. Leider haben voll-verblödete „konservative“ Politiker vor einigen Jahren dafür gesorgt, dass die Regionalbusse der ALSA nur noch die Haltestellen in den Ortsmitten bedienen, während die Gemeinden selbst eigene Stadtbusse (meist Minibusse) organisieren sollten. Im Endeffekt bedeutete das für viele Hotels und Ferienhaus-Siedlungen das Ende der Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr. Die Haltestellenhäuschen stehen übrigens auch neun Jahre später noch da und dienen meist als Werbeträger für den Media Markt in Motril oder die Kaufhauskette „El Corte Inglés“.

Angesichts der Lage des Hotels und meiner geringen Neigung jeden Morgen für ein Frühstück in den Ort zu fahren, habe ich die Übernachtung mit Frühstück gebucht. Die offiziellen Frühstückszeiten lagen zwischen 08:00 Uhr und 10:30 Uhr. Man sollte denken, dass die zweieinhalb Stunden ausreichend seien, um „seinen“ Slot zu finden. Aufgrund häufig wechselnder Reisegruppen war es aber völlig dem Zufall überlassen, wann man einfach einen Tisch finden konnte und wann Schlange stehen angesagt war. Im Endeffekt habe ich fast jeden Morgen zwei oder drei Anläufe gebraucht, um das Frühstück einzunehmen. Meist bedeutete dies auch eine Unterbrechung der Arbeit.

Aufgrund vorheriger Aufenthalte kannte ich bereits viele der Städte in der Umgebung, so dass ich dieses Mal auch wenig Lust hatte, mich ins Auto zu setzen um ein fünftes Mal nach Granada zu fahren. Mehr Zeit zum Arbeiten also.

Im Endeffekt habe ich meist sechs bis acht Stunden pro Tag arbeiten können/wollen. Die letzte Reisewoche habe ich dann komplett Urlaub genommen, um wenigstens noch etwas ausspannen zu können, bevor es wieder in das inzwischen recht kühle Deutschland ging:

  • Reisezeitraum: Sonntag 19.09.2021 – Samstag 16.10.2021
  • Reisetage: 5, davon 3 Werktage
  • genommene Urlaubstage: 8

Aus Arbeitssicht war die Zeit durchaus effektiv genutzt. Das Ambiente und die eher legere Zeiteinteilung haben dafür gesorgt, dass selten mal Stress aufkam.

Aber so richtig Urlaub, war das auch nicht, oder?

Wie man der obigen Auflistung entnehmen kann, lag der Schwerpunkt auf dem Arbeiten in einer entspannten Atmosphäre. Damit erübrigt sich natürlich auch die Frage, in wie fern eine „Workation“ oder „Work&Travel“ als Form der Urlaubsgestaltung durchgehen insofern die Minimierung der zu nehmenden Urlaubstage ein Ziel ist. Das mag anders sein, wenn man nur gelegentlich mal etwas Arbeiten muss und ansonsten eher auf Erholung setzt.

Wer mit einem ähnlichen Gedanken spielt, sollte also zuvor ganz klar festlegen, wann und wieviel tatsächlich gearbeitet werden soll resp. muss und ob sich diese Arbeit sinnvoll von unterwegs erledigen lässt. Wenn Aufenthaltsort, Reiseplanung und feste Termine für Videokonferenzen dies hergeben, sollte man vorweg die Arbeitszeiten festlegen. Macht man dies nicht, so wird man schnell entweder wesentlich länger als gedacht arbeiten oder aber mehr Urlaubstage in Anspruch nehmen müssen.

Und bitte vergesst ganz schnell den Gedanken, dass man nach vier solcher Wochen völlig entspannt und erholt ins Büro zurückkehren kann. Es ist wirklich Alles, aber kein Urlaub. Und wenn es sich wie Urlaub anfühlt, dann war es keine „Workation“. Eine „Workation“ ist auch kein Ersatz für einen echten Jahresurlaub bei dem idealerweise das Notebook zuhause bleibt und man keine dienstlichen Mails am Smartphone beantwortet oder am Jour-Fixe via Zoom teilnimmt.

Lohnen sich die Kosten?

Wenn man nicht gerade die Möglichkeit hat, kreativ die anfallenden Übernachtungs- und Reisekosten seinem Unternehmen unterzujubeln, in dem man „auf dem Weg“ Kunden besucht oder ggf. sogar eine Kundenlokation als Büro auf Zeit nutzt, fallen die für einen Urlaub üblichen Kosten an: Hotel, An- und Abreise sowie ggf. ein Leihwagen und der Mehraufwand für die Verpflegung im Hotel und in Restaurants. Dabei ist es vollkommen egal, ob man nun zwei oder zwölf Stunden am Tag arbeitet. Der Betrag wird stets auf dem Deckel stehen.

Damit ist eine „Workation“ meiner Meinung nach nur für zwei Gruppen geeignet. Entweder man ist finanziell an dem Punkt, wo einem die Kosten egal sein können oder aber man gehört zur bewundernswerten Spezies der Menschen, die ihren Tagesablauf so dermaßen im Griff haben, dass am Ende noch genügend Zeit für eine sinnvolle Freizeitgestaltung übrig bleibt.

Das klappt bei mir aber nur dann, wenn ich mich gerade mit Verwaltungsarbeiten beschäftige. Bei laufenden Software-Entwicklungsprojekten sieht das komplett anders aus. Ich kann meine kreative Phasen nicht per Kalendereintrag festlegen. Und einmal im „Tunnel“ angekommen, finde ich schwer ein Ende, solange nicht jemand quengelt und den Stecker zieht.

Fazit

Wer angeleitet von euphorischen Berichten mit dem Gedanken einer „Workation“ oder „Work & Travel“ spielt, sollte sich vorher genau damit auseinandersetzen. Das Ziel möglichst lange, mit sowenig wie möglich eingesetzten Urlaubstagen, unterwegs zu sein bringt am Ende recht wenig Erholung.

Wer kein Problem damit hat, dass der schöne Ausblick vom Schreibtisch aus und ein paar nette Abende an schönen Orten, ein paar Tausend Euro extra kostet: Einfach ausprobieren!

Über einen so langen Zeitraum ist das jedenfalls nichts für mich, dafür ist mir einfach das Geld zu schade. Ich werde auch weiterhin eher dazu tendieren einzelne Tage von unterwegs zu arbeiten wenn es sich ergibt und stattdessen lieber richtig Urlaub machen.

Marc-Oliver Schaake

Lotus / IBM / HCL Notes Professional Mag Reisen mit dem Zug, insbesondere mit Nachtzügen Kartenzahler seit 1987

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