15. Oktober 2024
Terminal mit Währungsauswahl

Meine Wünsche und Aussichten auf das Payment-Jahr 2022

Frohes Neues und alles Gute für 2022!

Das Jahr 2021 ist gelaufen. Den Jahresrückblick gab es natürlich schon hier auf dem Blog und nun ist es Zeit, ein paar Wünsche und Aussichten auf 2022 niederzuschreiben.

Angesichts der fortschreitenden Entwicklung hin zu bargeldloser Zahlung auch in Deutschland, sollte die Liste der Wünsche immer kürzer werden. Sollte man zumindest meinen. Aber ich probiere es einfach einmal mit ein paar Klassikern.

Echtzeitüberweisungen müssen Standard werden

Ein Thema, was die meisten eher so nicht ganz oben auf der Liste sehen, wenn es um Payment geht. Das ist allerdings sehr schade. Ein flächendeckend funktionierendes und kostenloses System von Echtzeitüberweisungen kann man getrost als Basis für die Entwicklung neuer Zahlungsdienste, gerade im P2P und Micro-Merchantbereich ansehen.

Während den meisten es noch egal sein dürfte, ob die überwiesene Rechnung nun noch am Samstag oder doch erst Montag um 12:00 beim Empfänger eintrifft, gibt es durchaus Fälle, in denen das wichtig ist.

Stellen wir uns einmal vor, ihr werdet Freitag abends um 20:00 Uhr von Eurem Kind gefragt, ob es was Geld für Disco haben darf. Die Älteren von uns erinnern sich sicherlich an derlei Etablissements. Die Jüngeren werden hoffentlich noch Gelegenheit bekommen, diese kennenzulernen. Natürlich könnt ihr jetzt einen 50er aus der Tasche holen und mit gönnerhaftem Blick rüberwachsen lassen. Gerüchteweise sollen aber auch immer mehr Clubs inzwischen kontaktlose Kartenzahlung akzeptieren und nur noch die uncoolen Kids bezahlen ihren Wodka-Bull mit Klimpergeld.

Wie kommt nun das Geld auf das Konto des Kindes? Bei der gleichen Bank sollte das noch mit einer Überweisung funktionieren. Aufladen eines fremden Fintech-Kontos mit der eigenen Kreditkarte ist nicht zulässig. PayPal hat sich in Deutschland zwar als Standard für P2P-Zahlungen etabliert, das Geld lässt sich von dort jedoch nur gegen eine Gebühr von 1% via Echtzeitüberweisung auf das eigene Bankkonto überweisen. Oder man nutzt die etwas holperige Implementierung der Debit Mastercard von PayPal in Android.

Natürlich geht das alles irgendwie, wenn man sich den besten, schnellsten und kostengünstigsten Weg überlegt. Allerdings sollte man sich dann auch nicht wundern, dass Eltern doch eher zum 50€-Schein greifen. Coolness-Faktor hin oder her.

Viele Banken bieten Echtzeitüberweisungen an. Teilweise werden diese allerdings hoch bepreist oder stehen nur eingehend zur Verfügung. Damit sich nun aber unabhängig von der Bankverbindung der Beteiligten, egal ob im Inland oder EU-Ausland wie bspw. Litauen für Revolut-Kunden, der elektronische Transfer dem direkten Aushändigen von Bargeld als ebenbürtig entwickelt, muss die Gutschrift innerhalb weniger Sekunden erfolgen und zumindest zwischen Privatpersonen kostenlos sein.

Idealerweise sollte dies auch für kleine Händler gelten. Dann hätte bspw. der Foodtruck-Betreiber noch mehr keine akzeptable Ausrede für bargeldlose Zahlungen. Angesichts der Kosten für ein mPOS-Terminal sehe ich das eh heute schon als No-Go an.

Fairerweise muss man sagen, dass es mit Kwitt bereits eine solche Lösung der Deutschen Kreditwirtschaft gibt. Diese krankt jedoch daran, dass gerade die „jungen“ Banken dort erst gar nicht mitmachen und an einer UX die abschreckt. Da Kwitt-Zahlungen nicht über ein Aggregator-Konto geleitet werden, sehen spätestens bei der Buchung Sender und Empfänger jeweils die Bankdaten des Anderen. Deswegen hat man mit einer absurden Datenschutzargumentation eine Zwischenschicht eingezogen die verlangt, dass der Empfänger im Telefonbuch des Absenders stehen muss. Damit eignet sich Kwitt nunmal leider nicht mehr, wenn man auf dem Wochenmarkt ein Kilo Äpfel bezahlen möchte.

Echtzeitüberweisungen böten unabhängigen App-Entwicklern die Möglichkeit, auf Basis der Technologie wesentlich komfortablere Lösungen zu bauen bei deren Nutzung idealerweise lediglich ein Zahlungslink generiert wird, der per Messenger oder SMS verschickt wird. Nutzt der Empfänger die gleiche oder eine vergleichbare App, so könnte aus diesem Link heraus das Geld direkt „gezogen“ werden. Alternativ könnte man als Empfänger seine Bankdaten einmalig angeben und würde fortan weitere Zahlungen über diesen Dienst automatisch erhalten.

Da ist einfach noch ganz viel Luft nach Oben.

girocard: Entscheidet Euch endlich!

Als überzeugter Europäer finde ich, dass es nicht verkehrt sein kann, wenn es zu den amerikanischen Finanzdienstleistern starken heimischen Wettbewerb gibt. Was die Konditionen für Zahlungen am POS angeht, so geht der Punkt eindeutig an die girocard.

Jedoch darf man nicht vergessen, dass die niedrigen Entgelte den Spielraum für die Weiterentwicklung des Produkts einschränken. Aus Sicht der Karteninhaberinnen und Karteninhaber fehlt eindeutig die Chargeback-Möglichkeit bei Leistungsstörungen. Normalerweise trägt hier der Acquirer das Risiko. Kann der Acquirer die hieraus entstandenen Verbindlichkeiten nicht bedienen, so springt das Scheme (Mastercard oder VISA in dem Fall) ein. Beides gibt es im girocard-System so erst einmal nicht.

Genauso wenig lässt sich die girocard heute im Web einsetzen und in Sachen Mobile Payment steht man als Apple User ganz doof da insofern man nicht Kunde einer Sparkasse ist. Für Android-Smartphones gibt es zwar mehr Issuer, die die girocard digital anbieten, jedoch stets in einer eigenen App. Auch das ist aus diversen Gründen nicht jedermanns Sache.

Da die beiden größten Bankengruppen ihren Kundinnen und Kunden die girocard als Standard-Debitkarte aushändigen und alle anderen Karten i.d.R. kostenpflichtig sind, wird sich an der Marktposition erst dann etwas ändern, wenn noch mehr Menschen zu Direktbanken wechseln, denn dort gilt die girocard inzwischen als Auslaufmodell.

Die Sparkassen entwickeln für ihre Kundinnen und Kunden die girocard weiter. Praktischerweise wird diese eh schon überall SparkassenCard genannt und das meist auffällig rote Design hebt die Karte bereits seit Jahren deutlich vom Rest ab. Inzwischen kann die girocard nicht nur via Apple Pay am POS eingesetzt werden, sondern auch für In-App-Zahlungen inkl. Käuferschutz!

Weder von den Volks- und Raiffeisenbanken, noch von den anderen Branchengrößen wie Deutsche Bank und Commerzbank hört man aktuell irgendwelche konkreten Aussagen. Die Deutsche Bank wird, zusammen mit ihrer Tochter der Postbank, noch stärker mit Mastercard zusammenarbeiten. Comdirect, die Direktbanktochter der Commerzbank, befindet sich bereits auf dem Weg der anderen Direktbanken und hat im letzten Jahr die VISA Debitkarte zur Top-of-Wallet-Card gemacht.

Jetzt mal „Butter bei die Fische“ wie man so schön sagt: Wenn ihr als DK nicht auch noch das letzte As im Payment-Köcher verlieren wollt, dann handelt jetzt. Macht aus dem „gemeinsamen Rahmen“ endlich ein Produkt mit zeitgemäßem Feature-Set. Dazu gehören für mich:

  • Online-Zahlungen im Internet ohne zusätzliche Hardware oder Software-Plugins
  • Käuferschutz (zumindest für Zahlungen im Fernabsatz)
  • Mobile Payment mit Apple Pay und Google Pay
  • Pragmatischerer Umgang mit PIN-Abfragen bei Einsatz via NFC
  • PIN-Counter-Reset via App
  • Einheitliches Konzept für Offline-Fallback abseits von ELV
  • Weniger Feature als kfm. Entscheidung: Geldautomatennutzung muss im Inland bei allen Banken für alle Karteninhaberinnen und Karteninhaber kostenlos werden
  • Bargeldeinzahlung mit der girocard soll bei allen Banken an Einzahlautomaten gegen eine kleine Provision möglich sein
  • VISA Debit oder Debit Mastercard als Co-Badge (siehe unten)

Und wenn ihr schon dabei seid, dann entwickelt bitte endlich ein zeitgemäßes und professionelles Logo für die Karte.

girocard: Ersetzt Maestro und V Pay zeitnah!

Damit die girocard überhaupt im Ausland einsatzfähig ist, gibt es die beiden Co-Badges Maestro und V Pay. Maestro ist offiziell bereits abgekündigt. V Pay dürfte damit auch bald folgen. Beide Systeme haben in den letzten Jahrzehnten den deutschen Bankkundinnen und Bankkunden gute Dienste geleistet. Dabei haben sie allerdings nur den Funktionsumfang abgebildet, den wir alle von der girocard kennen, nämlich das Bezahlen vor Ort im Laden.

Anstatt eine Migration erst auf den letzten Drücker zu starten und ggf., was typisch Deutsch wäre, dreimalig um Fristverlängerung bis zur Abschaltung zu bitten, sollten wir Karteninhaber schnellstmöglich die Möglichkeiten der neuen Debitkarten nutzen können.

epi: Launch im Dezember diesen Jahres?

Wie schon im Jahresrückblick angesprochen, so ist die Finanzierung des Projekts noch nicht in trockenen Tüchern. Im Grunde gilt hier das Gleiche wie für den Fernverkehr der Deutschen Bahn: Die Politik, sowie im Falle von epi Bundesbank und EZB, fordern etwas, überlassen die Frage der Finanzierung und das operative Risiko Dritten. Es ist aber weder die Aufgabe des eigenwirtschaftlichen Fernverkehrs der DB und schon gar nicht der Bankkundinnen und Bankkunden mit ihren Gebühren, die Wünsche der Politik zu befriedigen.

Während in der öffentlichen Wahrnehmung hauptsächlich über die Finanzierung, Personalien und extrem ambitionierte Zeitpläne gesprochen wird, habe ich bislang noch nicht ein einziges Mal etwas zu der Frage gehört, die am Naheliegendsten erscheint: Wie käme bspw. eine epi-Debitkarte an den POS oder ein wie auch immer geartetes Online-Bezahlsystem an den Betreiber eines Webshops?

Geht man bei der DK davon aus, dass man eine epi-Akzeptanz einfach auf dem bestehenden Regelwerk der girocard für Händler freischaltet? Das würde zwar auf Anhieb in Deutschland für hunderttausende Terminals sorgen, aber auch die Discount-Konditionen der girocard zementieren.

Möchte man hingegen mit einer neuen Debitkarte aber in einen wirklichen Wettbewerb mit Mastercard und VISA treten, so muss sich das auch in den Rahmenbedingungen für die Karteninhaber widerspiegeln. Damit stünden epi am deutschen POS im Grunde nur folgende Wege offen:

  • Akzeptanzvertrieb als getrenntes Produkt mit eigenen Konditionen/Leistungen über girocard-Netzbetreiber
  • Akzeptanzvertrieb als getrenntes Produkt über Acquirer (wie es Mastercard und VISA tun)
  • Akzeptanzvertrieb als getrenntes Produkt in Eigenregie (vergleichbar American Express)

Egal, wie man es nun dreht oder wendet: Sobald man an Preisen und Leistungen etwas ändert, landet man früher oder später an dem Punkt, an dem sich der Akzeptanzvertrieb heute schon befindet: Man muss seinem Kunden, dem Händler, begreiflich machen wieso eine girocard-Akzeptanz nicht ausreicht und weitere Kartenprodukte zu höheren Preisen akzeptieren werden sollen. Ich wünsche viel Spaß und Erfolg dabei! In den meisten anderen Märkten dürfte an der Vorgehensweise eh kein Weg vorbeiführen.

Im Fernabsatz sieht das natürlich einfacher aus, da die Zahlungsdienstleister von sich aus einen großen Köcher an Bezahloptionen bieten und Händler es gewohnt sind, dass immer mal wieder ein weiteres Logo in der Checkout-Strecke angeboten wird.

Kartenakzeptanz: Mastercard, VISA und girocard gelten als Minimalanforderung

Auch wenn sich seit Ende 2015 einiges in Deutschland geändert hat, so gibt es dennoch genügend Händer, Gastronomen und öffentliche Einrichtungen, bei denen ohne girocard nichts geht.

Für mich, und viele Andere, gelten jedoch Mastercard und VISA als absolute Minimalanforderung an die Kartenakzeptanz. Beide Karten sind nicht nur weltweite Marktführer, sondern auch bei immer mehr in Deutschland tätigen Banken das Top-of-Wallet-Produkt.

Und noch eine dringende Bitte: Prüft regelmäßig eure Terminals mit den gängigsten Karten, gerade nach Software-Updates. Fehlermeldungen nerven uns Kundinnen und Kunden und nicht jeder hat einen ganzen Stapel Karten in der Apple Wallet.

Marc-Oliver Schaake

Lotus / IBM / HCL Notes Professional Mag Reisen mit dem Zug, insbesondere mit Nachtzügen Kartenzahler seit 1987

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