Nach meinen Berichten aus Den Haag, London und zuletzt Wrocław stellt sich natürlich die Frage, wie es um elektronische Ticketingsysteme neben den Handytickets in Deutschland bestellt ist.
Abseits von inzwischen als Exoten zu bezeichnenden Systemen in Bremen (BOB-Ticket auf GeldKarte, inzwischen keine Neuanträge mehr zur Nutzung der eigenen GeldKarte möglich) und die ebenfalls auslaufende DING-Card in Ulm, gibt es die HVV Card des Hamburger Verkehrsverbundes. Sie setzt auf der Kernapplikation der VDV e-Card auf. Viele deutsche Verbünde nutzen dieses System für Zeitfahrkarten und die Nutzung weitergehender Angebote wie Leihfahrräder etc.
In und rund um Hamburg kann man mit der HVV Card darüber hinaus auch Fahrscheine des sog. Barsortiments erwerben. Die Abrechnung erfolgt per Lastschrift und die Nutzer erhalten für die darüber gekauften Fahrscheine 3% Rabatt, wie dies auch bei Handytickets der Fall ist. Alternativ kann man im Service-Center eine Prepaid-Zahlung aktivieren. Einigen Nutzerberichten zufolge soll das aber mäßig gut funktionieren. Karten können dennoch ins Minus rutschen und dann ohne Vorwarnung gesperrt werden.
Die Fahrberechtigung wird auf der HVV-Card elektronisch gespeichert. Abgesehen von der regionalen Einschränkung klingt das zu schön, um wahr zu sein.
Die Beantragung
Da die HVV Card personalisiert ausgegeben wird, steht vor der ersten Fahrt erst einmal die Beantragung einer solchen Karte. Das geht bequem online auf der Webseite des HVV. Die Abwicklung übernimmt dabei die DB Vertrieb. Bei der Registrierung müssen Adress- und Kontodaten angegeben werden und ein digitales Foto des Karteninhabers hochgeladen werden. Nach rund einer Woche traf die HVV Card per Post bei mir ein.
Neben der Karte und Anschreiben befand sich auch ein Flyer im Umschlag, der die Verwendung der Karte erläutert, sowie eine Klarsichthülle. Wozu die gut ist, erfahrt ihr später im Text.
Dauerkarten
Auf der HVV Card lassen sich auch Wochen- und Monatskarten speichern. Das erste Dauerticket muss in einem Servicecenter aktiviert werden. An Fahrkartenautomaten lassen sich lediglich die Verlängerungen auf die HVV Card laden. Ein solcher Zwangsbesuch ist nervig und eigentlich völlig unnötig.
Kauf am Automaten
Da ich mit dem Flixtrain nach Hamburg gereist bin und in deren Tickets keine City-Ticket Funktion inkludiert ist, führte der erste Gang zum Fahrkartenautomaten der Hochbahn. Automaten findet man an allen S- und U-Bahn Stationen sowie an stark frequentierten Bushaltestellen. Teilweise bilden sich dort längere Schlangen.
Die erste Ernüchterung trat sofort ein. In Hamburg gibt es mit Kurzstrecke, Nahbereich und Hamburg AB gleich drei Preisstufen aus denen es auszuwählen gilt. Nachdem ich den richtigen Tarif gefunden habe („Nahbereich“) wollte ich bezahlen. Allerdings bekam ich lediglich die Auswahl zwischen Münzgeld und der inzwischen ziemlich toten GeldKarte.
Also habe ich den Kauf abgebrochen und bin über den separaten Menüpunkt „e-Ticket“ eingestiegen. Sofort nach Auflegen meiner HVV-Card wechselte die Menüsprache auf Englisch. Dies wiederholte sich an jedem Automaten. Es scheint also eine Einstellung meiner Karte zu sein. An Automaten der Metronom Eisenbahngesellschaft muss man darüber hinaus dieses kontaktlose Karte einstecken. Auch ein Treppenwitz.
Nachdem ich erneut die richtige Preisstufe ausgewählt habe, wurde das e-Ticket nun auf meine Karte geschrieben und ein Kontrollabschnitt ausgedruckt. Diesen Kontrollabschnitt soll man zusammen mit der HVV-Card in eben jener Klarsichthülle aufbewahren.
Die erste Fahrkartenkontrolle … und beinahe Schwarzfahrer
Nachdem ich meine sieben Sachen im Hotel ibis Styles Hamburg Alster City verstaut habe, ging es in die City zum Shopping. Wiederum habe ich ein Ticket gezogen. Dieses Mal der Preisstufe Hamburg AB. Am Bahnsteig der Hochbahn-Haltestelle Hamburger Str. stand ein freundliches Team des Prüfdienstes. Frohen Mutes zeigte ich nach dem Einsteigen meine HVV-Card vor.
Leider ließ sich das soeben erworbene Ticket nicht anzeigen. Auf dem Display des Prüfgerätes war lediglich das Ticket der Hinfahrt zu sehen. Glücklicherweise hatte ich den Kontrollabschnitt dabei. Dieser trägt aber lediglich das Tagesdatum und keinerlei Uhrzeit, hätte also auch vom frühen Morgen sein können. An der Stelle frage ich mich, wieso – wenn schon Prüfausdrucke erstellt werden – diese nicht mit vollständigen Daten kommen.
Mit ein bißchen freundlich Schnacken hatte sich das Thema dann ohne EBE erledigt. Ich bin an der nächsten Haltestelle ausgestiegen und habe mir einen weiteren Prüfbeleg gezogen.
Beim letzten Ticketkauf am Abend gab es dann auch noch Probleme beim Beschreiben der HVV-Card, so dass ich vor meiner letzten Fahrt am Abend nochmal einen Prüfbeleg nachträglich angefordert habe. Inzwischen ist die Auswahlliste am Automaten recht lang geworden. Leider gibt es dort auch keinerlei Hinweis auf den Kaufzeitpunkt, so dass ich mal auf Verdacht das unterste Ticket ausgewählt habe. Dieses wurde mit einem Betrag von 0,00€ angezeigt. Um nichts zu riskieren habe ich erneut ein Ticket gekauft, welches dieses Mal erfolgreich auf die Karte geschrieben wurde. Ein Hinweis, dass dieses Ticket ungültig ist, fehlte leider.
Der Kaufprozess dauert – vorausgesetzt man kennt den gewünschten Tarif – im Idealfall rund 25 Sekunden. Viel zulange um solche Terminals beim Fahrer im Bus einzusetzen. Die Automaten der DB im Bereich der S-Bahn-Haltestellen sind auch nicht schneller, so dass man von einem allgemeinen Problem des Systems ausgehen muss.
Ein Farecap gibt es leider nicht, so dass ich mit Einzelfahrausweisen heute deutlich über dem Betrag für eine Tageskarte gelegen habe. Über das quälend langsame HVV-Card Portal soll man seine Umsätze einsehen können. Bis 23:00 waren dort aber noch keine Umsätze des aktuellen Tages verbucht.
Im Bus
Theoretisch soll man irgendwann mit der HVV-Card auch im Bus Tickets erwerben können. Im Interesse der Pünktlichkeit hoffe ich, dass dies ausschließlich an Automaten im Fahrzeug und nicht direkt beim Fahrer erfolgen wird. 25 Sekunden sind einfach zu lange für eine einigermaßen frequentierte Buslinie.
Aktuell lässt sich nur in einigen Bussen an einem Terminal am Einstieg prüfen, ob ein gültiges Ticket auf der HVV-Card gespeichert wurde.
Fazit
Das System ist aufgrund seiner Umständlichkeit und der langsamen Verarbeitung leider nicht zu gebrauchen. Die Probleme bei der Fahrkartenkontrolle lassen auch an der Zuverlässigkeit des Systems insgesamt zweifeln. Wenn schon das Auslesen der Karte per NFC keine eindeutigen Ergebnisse auf dem Terminal des Prüfdienstes liefert, so sollten wenigstens die Ausdrucke alle notwendigen Daten enthalten um die Validität eines Tickets eindeutig feststellen zu können.
Die Hochbahn wehrt sich seit Jahren mit den abstrusesten Begründungen gegen die Einführung einer flächendeckenden Akzeptanz von Debit- und Kreditkarten an den Automaten und musste erst von der Politik der Hansestadt ordentlich auf den Topf gesetzt werden. Gleichzeitig implementiert man mit jahrelanger Verzögerung ein solch halbgares System auf Basis von vor über zehn Jahren verabschiedeten Spezifikationen, welches den Anforderungen eines Verkehrsbetrieb einer Metropole nicht annähernd gerecht wird.
Wäre ich Hamburger Bürger und regelmäßiger Nutzer der Hochbahn und des HVV, so würde ich mich grün und blau darüber ärgern, dass die von mir zu zahlenden Entgelte in so einem Projekt versenkt werden.
Aktuell würde ich daher empfehlen auf die HandyTicket-App des HVV zu setzen.
Weiterführende Links
- Skurriler Blog-Eintrag der Hochbahn auf die Frage nach Kartenzahlung
- Hamburger CDU fordert Kartenzahlung an Hochbahn-Automaten
- Hamburger Hochbahn akzeptiert bald Kartenzahlung an Automaten (ab 2018)
- Startprobleme mit neuer HVV-Card