Genau wie eine Fußballweltmeisterschaft im eigenen Land irgendwann einmal ein Ende findet, so war von Anfang an klar, dass das 9€-Ticket nach drei Monaten nicht einfach verlängert werden kann. Heute früh um 03:00 Uhr endete dann auch das wohl größte Experiment im Nah- und Regionalverkehr, welches unser Land je durchgeführt hat.
Nachdem ich kurz nach Beginn im Juni bereits meine Einschätzung zum Sinn, Unsinn und Art der Einführung gegeben habe, möchte ich nun mein ganz persönliches Fazit der Aktion ziehen.
Kauf und Amortisation
Ich habe wenige Minuten nach Verkaufsstart in der App der Kölner Verkehrsbetriebe am 23. Mai bereits die Tickets für alle drei Monate erworben. Die investierten 27 EUR habe ich bereits in der ersten Juni-Woche in Berlin anlässlich der re:publica wieder reingeholt. Ab da sollte das Sparen also richtig losgehen.
Nutzung
Während sich die Berichterstattung in den Medien hauptsächlich darauf konzentrierte, wie Menschen mit vielen Umstiegen und mit hohem Zeiteinsatz die Urlaubsregionen besuchten, Städtetrips unternahmen oder anhand von Infos aus dem Netz möglichst alle Museumsbahnen und sonstigen Freizeitverkehre, die man mit dem 9€-Ticket nutzen konnte, abgefahren haben, so sah es bei mir ganz anders aus.
Auf längeren Reisen mit der Bahn genieße ich dann doch lieber den Komfort in der 1. Klasse des Fernverkehrs. Annehmlichkeiten, wie mehr Platz und Essen aus dem Speisewagen, kann kein Billigticket der Welt für mich kompensieren.
Einen großen Teil der Fahrten mit dem 9€-Ticket waren dann auch in Folge Fahrten vom oder zum Bahnhof. Da ich inzwischen zu einem großen Teil mit Super-Sparpreisen reise, wären hierfür ansonsten Einzeltickets angefallen. Darüberhinaus habe ich innerhalb Kölns einige Fahrten mit dem Bus unternommen, wo ich ansonsten vielleicht gelaufen wäre oder ab und an auch das Elektroauto genommen hätte. Oder die ich einfach komplett nicht unternommen hätte. Wer weiß das schon so genau.
Die große Freiheit des 9€-Tickets bestand für mich hauptsächlich darin, dass ich in einigen Städten, die ich im Sommer besucht hatte, mich nicht eine Sekunde um das Thema Fahrkarten und Tarife kümmern musste. Ich musste auch keine vor zehn Jahren amateurhaft programmierte App installieren, da der jeweilige Verkehrsverbund seine Fahrkarten nicht via DB Navigator verkaufen mag. Oder noch schlimmer: Bargeld abholen am Geldautomaten, irgendwo betteln, dass man einen 50€ Schein irgendwie klein bekommt und dann den Bus nur noch von Hinten sehen.
All die Dinge, die die Nutzung des ÖPNV erschweren, Leute nerven und verwirren, waren für drei Monate außer Kraft gesetzt. Neben der Möglichkeit, für 9€ nach Westerland oder Berchtesgarden fahren zu können, war dies das wirkliche Highlight des 9€-Tickets.
Nachfolgeregelung
Nach diesen drei Monaten darf es kein Zurück zur früheren Kleinstaaterei der Verkehrsverbünde und deren Tarifhöllen geben. Dabei geht es nicht nur um den Preis einer Einzelfahrt in der eigenen Stadt, sondern auch um die vielen Hürden, die aufgebaut werden, wenn man mehr oder weniger regelmäßig Verbund- und Landesgrenzen überquert und feststellen muss, dass viele Tickets einfach nicht online erhältlich sind.
Leider möchte man sich in der Koalition erst im Herbst mit möglichen Nachfolgeregelungen auseinandersetzen. Inzwischen stehen mehrere Modelle mit abgestuften Geltungsbereichen und verschiedenen Preisschildern im Raum. Erste Gespräche mit den Bundesländern verliefen, wie nicht anders zu erwarten, wenig erfolgreich.
Etwas Mut macht jedoch, dass sowohl Verkehrsminister Wissing, als auch Finanzminister Lindner nach der Klausurtagung in Meeseberg bekräftigten, dass man an einem Nachfolgeprodukt arbeiten wird.
Volker @Wissing hat mich überzeugt: Er kann mit einem Bruchteil der Finanzmittel des #9EuroTicket|s ein bundesweit nutzbares, digital buchbares Ticket realisieren. Jetzt sind die Länder dran. Wenn die Finanzierungsfrage klar ist, kann der Preis festgelegt werden. CL #WissingWirkt pic.twitter.com/cqenBVOj9P
— Christian Lindner (@c_lindner) August 31, 2022
Für mich persönlich würde allerdings nur ein Ticket Sinn machen, welches auch den Fernverkehr beinhaltet. Also eine echte Mobilitätskarte nach Vorbild des österreichischen Klimatickets oder dem GA in der Schweiz. Die heutige BahnCard 100 ist zum Regelpreis leider zu teuer und die Nutzung abseits der Schiene zu stark eingeschränkt, als dass sie eine Alternative darstellen würde. Der Preis der BC100 steht halt nicht im Wettbewerb mit den Flexpreisen der Bahn für Fernreisen, sondern mit Spar- und Supersparpreisen, wenn die Amortisation zu einem großen Teil über Freizeitverkehre erfolgen soll.
Und die Verkehrsverbünde…?
Die machen derweil das, was sie am Besten können: Sie kündigen die nächsten Preiserhöhungen an.