26. April 2024

In-App Payment auf einem Festival: What could possibly go wrong?

Bargeldloses Bezahlen ist auf dem Open’er Festival im polnischen Gdynia ein alter Hut. Mastercard ist einer der Hauptsponsoren und bereits bei meiner ersten Teilnahme im Jahr 2011 erfolgte die Bezahlung an allen Ständen entweder mit Mastercard/Maestro Paypass oder Wertbons.Die Wertbons sind seit einigen Jahren verschwunden und wurden durch aufladbare Mastercard-Armbänder ersetzt. Diese funktionieren ohne Registrierung nur auf dem Festival, ansonsten weltweit an jeder Mastercard-Akzeptanzstelle. Die Armbänder lassen sich auch mit Bargeld an entsprechenden Ladesäulen aufladen. Inzwischen werden im Übrigen auch VISA und V-Pay Karten akzeptiert.

Ladesäule für DiPocket Festivalarmbänder. Aufladung via Bargeld.

Zeit also, um mal etwas Neues auszuprobieren. Bereits 2017 gab es einen Versuch, Bestellung und Bezahlung von Getränken und Speisen in die Festival-App zu verlagern. Daran haben zunächst die Getränkestände und ein Burgertruck teilgenommen. Die Nutzung wurde mit 20% Rabatt incentiviert.Da der Test recht erfolgreich verlief, die Nutzung aber auf wenige Angebote beschränkt war und nicht von allen Besucherinnen und Besuchern so richtig wahrgenommen wurde, entschied man sich dieses Jahr für eine Ausweitung auf weitere Angebote und verstärkte Kommunikation.

Startscreen der Festival-App mit Hinweis auf Rabatt und mit ohne Warteschlangen

Zur Bezahlung registriert man sich einmalig mit seiner Mobilfunknummer und der zu verwendenden Mastercard oder VISA-Karte. Nach Eingabe eines TAN-Codes ließen sich Getränke und eine breite Auswahl an Speisen mit Hilfe eines einfach zu bedienenden Warenkorb-System bestellen und gleich bezahlen:

 

Ein ähnliches System, allerdings lediglich zur Vorbestellung von ganzen Bier-Paletten, war bereits auf dem Hurricane-Festival in Scheeßel im Einsatz:

Obwohl im Hintergrund der Wallet-Dienst Masterpass arbeitet, wurden keine Anmeldedaten abgefragt, d.h. alle Nutzer mussten sich mit ihren Daten und der gewünschten Bezahlkarte in der App registrieren. 2017 gab es da noch eine unterschiedliche Vorgehensweise bei Android-Geräten: Dort war es möglich, mit einem Masterpass-Login die dort hinterlegten Karten zur Zahlung zu nutzen.

Während Payal Ponkshe (@payalponkshe, Direktorin Digital Payments Mastercard Germany) anlässlich ihres Vortrags auf dem Hurricane-Festival meine Frage nach einem solchen System für Einzelbestellungen noch mit „Wer würde so etwas für ein Bier nutzen?“ kommentierte, gaben die Besucherinnen und Besucher des Open’er Festival dieses Jahr eine ziemlich eindeutige Antwort auf diese Frage: Wir!

Das System war aufgrund des Rabatt so erfolgreich, dass sich die Schlangen bevorzugt in der Fast Lane bildeten, während die regulären Bierzapfsäulen (mit Kartenterminals ausgestattet) zeitweise verwaisten. Da das Verhältnis Kartenterminals zu Scanstationen im Getränkebereich bei 1:5 lag auch kein Wunder.Dieses Jahr war es auf dem Festival besonders voll. Sämtliche vier Konzerttage waren komplett ausverkauft, so dass die vier LTE-Mobilfunknetze mal wieder völlig an ihre Grenzen kamen. Darunter hatte natürlich auch das Bestellsystem zu leiden. Neben vielen Fehlermeldungen bei Bestellung und Bezahlung sind auch die ursprünglich einmal geplanten SMS-Codes für die Abholung von vorbestellten Speisen bereits am ersten Tag wieder abgeschaltet worden, da es hier zeitweise zu länger anhaltenden Totalausfällen kam.Das Scannen der erhaltenen Barcodes funktionierte mit Hilfe einer Android-App an den Ständen die gefühlt bei jedem zweiten Scanvorgang abgestürzt ist und neu gestartet werden wollte. Da die verwendeten Smartphones ziemliche Fokus-Probleme hatten, war auch seitens des vielleicht schon etwas angeheiterten Bierfreundes etwas Geschick und eine ruhige Hand erforderlich. Nun ja.FazitDie Idee hinter der App, nämlich Bestellung und Bezahlung zum User zu verlagern und die bestellte Ware schnell auszuliefern ist nicht schlecht. Leider wurden in der Umsetzung viele Punkte nicht beachtet, bzw. haben nicht richtig funktioniert:

  • Anstatt Bier auf Vorrat zu zapfen und nur auszuteilen, wurde auch hier meist erst mit dem Zapfen begonnen nach dem die Zahlung validiert wurde
  • SMS-Bestätigungen für Essenbestellungen haben nicht funktioniert, so dass sich auch App-Zahler in die bestehenden Schlangen einreihen mussten (Wartezeiten teilweise 60 Minuten)
  • Eine nicht ausgereifte Händler-App und billige Scan-Hardware sorgten für eine deutlich längere Tx-Zeit als bei einer regulären Kartenzahlung per NFC.
  • Die Abhängigkeit von den LTE-Mobilfunknetzen machte das System zeitweise unbrauchbar

Darüber hinaus frage ich mich, wer auf die Idee kam den strategischen Vorteil einer „Fast Lane“ noch mit einem zusätzlichem Rabatt zu incentivieren. Am Ende des Tages haben sich die Schlangen lediglich verlagert um in den Genuss der Rabatte zu gelangen.Ich hoffe, dass man aus der Situation für das nächste Festival im Juli 2019 die richtigen Schlüsse ziehen wird.

Marc-Oliver Schaake

Lotus / IBM / HCL Notes Professional Mag Reisen mit dem Zug, insbesondere mit Nachtzügen Kartenzahler seit 1987

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2 Gedanken zu “In-App Payment auf einem Festival: What could possibly go wrong?

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