19. April 2024
12€ für eine girocard?

Zukunft der girocard: Mehr Druck auf den Handel statt Kunden abkassieren!

Zugegebenermaßen ist es nichts Neues, dass Banken für die Ausgabe einer girocard Geld verlangen. Bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken ist dies meist in den günstigeren Kontomodellen der Fall.  Im Sparda-Verbund versuchte man in der Kommunikation am kostenlosen Girokonto festzuhalten und machte, anstelle der Einführung genereller Kontoführungsgebühren, kurzerhand die girocard kostenpflichtig.

Da ein Girokonto ohne eine Debitkarte nicht sinnvoll nutzbar ist, gehört auch immer eine Karte dazu. Dies war bislang bei den meisten Banken eben eine girocard. Ganz egal, wie sich letztenendes die Gebühren dafür zusammengesetzt haben. Mastercard und VISA-Karten wurden lange Zeit nur als Charge-Cards bei vorliegender Bonität und gegen eine Extragebühr ausgehändigt. Selbst bei vielen Kreditkartenpaketen von Drittanbietern gehörte lange Zeit die gute alte „EC-Karte“ als Akzeptanzjoker dazu.

Mit diesem Wissen gab und gibt es eine Reihe von Unternehmen und staatlichen Einrichtungen, die als einzige bargeldlose Bezahlmöglichkeit auf die girocard setzen. Oder aber, wie in nicht wenigen Bürgerämtern, darüber hinaus keine oder nur eingeschränkte Möglichkeiten zur Barzahlung bieten.

Nun mag man getrost darüber streiten, ob in einem europäischen Binnenmarkt, der darüber hinaus von Dienstleistungs- und Personenfreizügigkeit geprägt ist, die ausschließliche Akzeptanz nationaler Bezahlmethoden tolerierbar sein kann oder dies nicht doch als Verstoß gegen Gemeinschaftsgrundsätze zu werten ist. Während die Kneipe irgendwo im Harz vielleicht noch damit argumentieren kann, dass sich der letzte „Ausländer“ vor fünf Jahren dorthin verirrt hat, so dürfte es spätestens beim Bürgeramt in Berlin klar sein, dass man sich damit auf dünnes Eis begibt.

girocard als kostenpflichtiges Add-On bei Direktbanken

In den letzten Jahren hat sich im Banking-Markt vieles geändert. Die neuen Wettbewerber wie bspw. N26 setzen seit jeher ausschließlich auf die Debitkarten aus dem Hause Mastercard oder VISA. Eine girocard gibt es dort erst gar nicht. Die in Deutschland sehr beliebten Direktbanken wie DKB und ING haben ihre Kundschaft längst an die Nutzung der VISA-Karte gewöhnt. Eine girocard gab es allerdings kostenlos dazu.

In diesem Jahr haben aber direkt drei Direktbanken damit begonnen, die girocard zumindest Neukunden (DKB, Consorsbank) nur noch gegen eine Gebühr anzubieten. Die ING wird ab März 2022 von allen Kunden monatlich 0,99€ verlangen.

Im Gegensatz zu den Sparkassen, die die girocard für ihre Kund*innen weiterentwickeln, haben die Direktbanken in der Vergangenheit selbst ein so grundlegendes Feature wie das kontaktlose Bezahlen mit der girocard eher zögerlich (widerwillig) umgesetzt. Von Mobile Payment mit Apple Pay und Google Pay ganz zu schweigen. Selbst die Volks- und Raiffeisenbanken nutzen für Apple Pay eine Debit Mastercard.

Man kann also getrost sagen, dass man seinen Kunden für rund 12€ im Jahr ein Pferd zur Verfügung stellen möchte, welches man im Rahmen der eigenen Payment-Strategie als tot ansieht.

Auf gut Deutsch: Kunden sollen für ein Legacy-Produkt bezahlen, dessen einzige Daseinsberechtigung noch darin besteht, dass man damit bei renitenten Einzelhändlern und Gastronomen oder am Fahrkartenautomaten schlecht beratener Verkehrsunternehmen bezahlen kann.

Das kann und darf nicht sein!

Es ist Zeit zu Handeln!

Die Zeit wird zeigen, wie viele Direktbankkunden bereit sind für eine girocard zu bezahlen, die im Alltag immer seltener benötigt wird. Daher ist es umso wichtiger, dass die Notwendigkeit zu handeln von mehreren Seiten an die Akzeptanzstellen getragen wird. Den direkten Kontakt zum Handel besitzen die Netzbetreiber, über die heute die girocard-Zahlungen abgewickelt werden und eigentlich ein starkes Interesse daran haben sollten, die bestehenden Verträge zu erweitern.

Aber auch die kartenausgebenden Banken und nicht zuletzt VISA und Mastercard müssen dafür sorgen, dass das notwendige Problembewusstsein geschaffen wird. Die Zeiten, in denen jemand der mit einer VISA oder Mastercard im Café bezahlen wollte wahlweise Tourist, schnöseliger Angeber und/oder Meilensammler war, sind nun wirklich seit Jahren vorbei.

Niemand kann ein ernsthaftes Interesse daran haben, dass Kunden mangels girocard im Geschäft erst Ware liegen lassen müssen, damit die restlichen Akzeptanzlücken geschlossen werden können.

Marc-Oliver Schaake

Lotus / IBM / HCL Notes Professional Mag Reisen mit dem Zug, insbesondere mit Nachtzügen Kartenzahler seit 1987

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