Wenn man in Deutschland über Debitkarten spricht, ist meistens die girocard gemeint. Das liegt natürlich daran, dass fast alle Filial- und Direktbanken diese zum Konto an ihre Kunden ausgeben.
Etwas anders sieht das bei den vielen Fintechs und Challenger-Banken aus. Wettbewerber wie N26, Fidor (gibt es die noch?), bunq, Revolut, Tomorrow, Vivid und Co. setzen auf die Debit-Varianten der beiden großen Kartensysteme Mastercard und VISA. Bis vor Kurzem hatte Mastercard hier deutlich die Nase vorn. In letzter Zeit konnte VISA allerdings bei vielen dieser jungen unternehmen punkten und ihr Debit-Produkt teilweise sogar exklusiv platzieren.
VISA und die Direktbanken
Spricht man über VISA in Deutschland, so kommt man natürlich nicht an den großen Direktbanken ING, DKB und comdirect vorbei. Diese sind seit Jahren, teils seit Jahrzehnten, mit VISA verbunden. In der Kommunikation spielte die VISA-Karte meist die Hauptrolle, was nicht weiter verwundert. Direktbanken rekrutieren ihre Neukunden hauptsächlich aus dem Bestand der Filialbanken. Nicht nur kosten dort Kreditkarten fast überall extra, sondern man hat darüber hinaus noch bis vor wenigen Jahren einen Riesenakt aus der Beantragung gemacht. Hohe Jahresgebühren und Einstiegskreditrahmen von teilweise 2.500€ und mehr sollten den Kundenbestand sauber halten. Darüber hinaus haben ING und DKB die VISA stets für die kostenlose Bargeldversorgung auch im Inland genutzt (comdirect außerhalb der EUR-Zone).
Dank der inzwischen fast überall vorhandenen Akzeptanz von Mastercard und VISA verwundert es natürlich nicht, dass bei bspw. die DKB in diesem Sommer dazu aufgerufen hat, die girocard doch gleich zuhause zu lassen. Alle der genannten Banken setzen daher auch konsequent auf die VISA-Karte wenn es um Mobile Payment mit Google Pay und Apple Pay geht.
comdirect und DKB launchen VISA Debit in 2021
Bei der ING ist es seit Langem üblich, dass die VISA-Karte direkt gegen das hinterlegte Girokonto abrechnet (auch wenn das zumindest in der Vergangenheit technisch über einen Umweg gelöst wurde). DKB und comdirect hingegen bieten ihre VISA-Karte heute als Charge-Card mit monatlicher Abrechnung an. Das setzt natürlich einen „echten“ Kreditrahmen voraus, den nicht jeder erhält und damit Kunden durchs Raster fallen, denen man in diesem Fall nur die girocard anbietet oder die Eröffnung eines Kontos verweigert.
Mit dem Launch der VISA Debit bieten sich comdirect und DKB eine Reihe weiterer Optionen. Bonitätsschwacher Kundschaft kann nunmehr ein international anerkanntes Zahlungsmittel geboten werden, was auch online und mobil funktioniert. Damit verschenkt man keine Einnahmen an PayPal und reduziert sicherlich auch im Bereich der Kundenbetreuung die Aufwände, da man Kontoinhabern nicht unnötig vor den Kopf stoßen muss.
Spannend ist natürlich die Frage, welche Zukunft die heutige VISA-Charge-Card bei DKB und comdirect haben wird. Ein zunächst niedriger Kreditrahmen ist natürlich die willkommene Gelegenheit, den neuen Kunden davon zu überzeugen, sein Gehaltskonto zu verlegen.
Werden diese Karten komplett wegfallen und durch Debitkarten ersetzt werden? Werden Chargecards mit Zusatzfeatures wie Versicherungen in Zukunft bei DKB und comdirect kostenpflichtig werden? Der Kostendruck der auf den Banken lastet, lässt Derartiges schon vermuten. Das faktische Dreikartenmodell (girocard+Co-Badge und VISA) ist teuer und meiner Meinung nach überholt. Kein Kunde möchte sich an der Ladenkasse oder am Geldautomaten überlegen, mit welcher der Karten er nun zahlen soll (Fremdwährungsgebühren bspw.) oder mit welcher Karte, in welchem Land, an welchem Geldautomaten das Abheben nun kostenlos oder sündhaft teuer ist.
Glaubt man den Statistiken, so bevorzugt eine große Mehrheit der Deutschen sowieso das Bezahlen mit Debitkarten. Wer das kostenlose Konto bei comdirect oder DKB nur gehalten hat, um in den Genuss einer kostenlosen Kreditkarte mit monatlicher Abrechnung zu gelangen, wird sich vielleicht umgewöhnen müssen. Es wird wahrscheinlich darauf hinauslaufen, dass die Karte mit monatlicher Abrechnung nur noch aktiven Kunden mit Mindestgeldeingang kostenlos angeboten wird. Die DKB hat mit dem Modell des „Aktivkonto“ ja bereits eine Differenzierung der Leistungen vollzogen.