Kund*innen von Sparkassen und Volksbanken kennen das Spiel: In mehr oder minder regelmäßigen Abständen erhöhen sich die Gebühren für die Kontoführung, werden günstige Kontomodelle abgekündigt oder die lange Zeit inkludierte Kreditkarte soll plötzlich Geld kosten. Als Trostpflaster wurden gerne mal bspw. Cashback-Angebote verteilt. Dabei handelte es sich im Wesentlichen um Angebote, die man anderswo völlig ohne Bindung an eine bestimmte Bank auch erhält (Shoop, Payback etc.). Zuletzt hatte eines der größten Institute im Westen, die Sparkasse KölnBonn kräftig an der Gebührenschraube gedreht.
Im Schnitt haben sich seit 2015 die Gebühren für Girokonten um knapp 40% erhöht. Inzwischen ist man aber auch als Kund*in einer Direktbank nicht mehr sicher. ING, Comdirect, DKB und Co. haben die Kostenloskultur im Consumer-Banking über Jahrzehnte befeuert. Allerdings sah man sich aber auch dort gezwungen, Einschränkungen vorzunehmen. Mindestgeldeingang, VISA Credit mit Jahresgebühr oder Kosten für die girocard sind kein tabu mehr. Die ING, Consorsbank und Comdirect passten zuletzt an. Bei der DKB wird dieser Schritt ebenfalls im Zuge der geplanten Einführung der VISA Debit-Karte erwartet.
Bequemlichkeit und Ignoranz der Kundschaft als Erlösmodell
Jede Erhöhung der Kontoführungsgebühren lief bislang nach dem gleichen Muster ab: Man erhält – je nach Bank und gewählten Kommunikationseinstellungen – einen Brief oder eine E-Mail, wo in langwierigen Worten auf die Kostentreiber (EZB-Zinspolitik, Regulierung, Marktumfeld, neue Bezahltechnologien) hingewiesen wird und an deren Ende man den Kontoinhaber*innen den neuen marktgerechten Kontoführungspreis, verbunden mit der Warnung mitteilt, dass im Falle des Widerspruchs gegen die Erhöhung das Girokonto bankseitig gekündigt wird.
Nun ist es aber so, dass es eine Vielzahl von Gründen gibt, weshalb Kund*innen nicht aktiv widersprechen. Wessen Girokonto mehr oder weniger dauerhaft im Minus steht, wer plant, in nächster Zeit eine Finanzierung anfragen zu wollen oder schlichtweg keine Lust hat, wegen des vermuteten Aufwands sein Konto umzuziehen, wird eine Erhöhung häufig einfach hinnehmen.
Wenn die Einführung des kontaktlosen Bezahlen eines gezeigt hat, gibt es aber eine ebenfalls relevante Gruppe, mit der hier gerechnet wird: Diejenigen, die Briefe der Bank einfach ungelesen entsorgen. Dies gilt insbesondere wohl dann, wenn neben einem Anschreiben mit viel Text noch ein Werbe-Flyer enthalten ist. Anders kann man es sich nicht erklären, dass so viele Menschen angeblich nichts davon mitbekommen haben, dass ihre girocard inzwischen NFC-fähig ist und in Befragungen häufig nicht einmal wissen, wieviel sie ihr Bankkonto im Monat kostet.
BGH gibt Verbraucherzentralen Recht
Den Verbraucherzentralen ist diese Praxis ein Dorn im Auge, da die Banken sich hier in Bezug auf einseitige Vertragsänderungen mit stillschweigender Zustimmung eine Sonderstellung herausnehmen, was bei anderen Dauerschuldverhältnissen wie bspw. einer Wohnungsmiete der expliziten Zustimmung der anderen Vertragspartei bedarf.
Der BGH hat diese Praxis in dieser Woche nun für unzulässig befunden und die betreffenden Vertragsklauseln im vorliegenden Fall für unwirksam erklärt.
Berücksichtigt man die Verjährungsfristen, können Bankkund*innen „zu viel gezahlte“ Bankgebühren seit 2018 zurückverlangen. Dazu haben sie bis zum 31.12.2021 Zeit.
In Zukunft müssen Kreditinstitute also Prozesse etablieren, bei denen Bankkund*innen explizit ihre Zustimmung kundtun müssen. So hat bspw. die comdirect ihre Bestandskund*innen darüber informiert, dass die Umstellung der Kontomodelle erst einmal ausgesetzt wird, bis ein solcher Prozess zur Verfügung steht:
Was passiert nun?
Auf den ersten Blick erscheinen einem ein Formular im Online-Banking oder die gute alte „Antwort“-Postkarte als durchaus lösbare Anforderung. Aber der Teufel steckt natürlich im Detail. Deklinieren wir das Ganze mal anhand der o.g. Gruppen auf:
- Keine oder wenig Probleme wird es bei Leuten in der Dispo-Falle geben
- Wer plant, über seine Hausbank ein Haus oder Auto zu finanzieren, wird der Erhöhung wohl auch eher aktiv zustimmen
- „Die Faulen“: Mit der Notwendigkeit der aktiven Zustimmung könnte es passieren, dass die berühmten schlafenden Hunde geweckt werden und diese Kund*innen sich darüber informieren, was der Wettbewerb für Konditionen aufruft und wie viel Aufwand so ein Kontowechsel heute tatsächlich so bereitet
- Viel schlimmer dürfte es aber bei den „Lese-Verweigerern“ werden, da die Bank natürlich am Ende gezwungen wäre, bei einer nicht erfolgten Zustimmung entweder die alten Gebühren beizubehalten oder „treuen“ (oder vielleicht eher „treudoofen“) Kund*innen zu kündigen.
Bedeutet das das Ende der Preiserhöhungen? Ich denke nicht, da die zugrundeliegenden Rahmenbedingungen sich durch das BGH-Urteil sicherlich nicht in Luft auflösen werden. Jedoch täten die Banken gut daran, wenn sie notwendige Preisanpassungen in Zukunft besser begründen würden.
Dazu gehört für mich auch die Überprüfung der Inkonsistenzen in den heutigen Preismodellen vieler Banken und Sparkassen: Teure und personalintensive Leistungen wie bspw. die Nutzung von Geldautomaten oder die Ein- und Auszahlung von Bargeld in den Filialen, sind häufig in den kostengünstigeren Kontomodellen inkludiert, während Kartenzahlungen mit Postengebühren belegt werden. Und das, obwohl die Bank Erlöse aus den Autorisierungsentgelten/Interchange-Gebühren erzielt.
Damit verprellt man ausgerechnet die online-affine Kundschaft, die sich mehr denn je fragt, warum sie mit ihren Gebühren ein Filialnetz mit Leistungen subventioniert, die sie selbst so gut wie nie nutzt. Und gerade diese Gruppe dürfte bei Überschreiten der Schmerzgrenze recht wenig Hemmungen haben, nach günstigeren Alternativen zu suchen.