Die ersten Weihnachtsmärkte begrüßen bereits ihre Gäste mit Glühwein und Grünkohl. Zeit also, um einen kleinen Rückblick auf das Jahr 2018 in Bezug auf bargeld- und kontaktloses Bezahlen in Deutschland zu werfen.
Verfügbarkeit kontaktloser Debit- und Kreditkarten
Den größten Anteil am deutschen Kartenmarkt hat nach wie vor das Brot- und Butter Produkt girocard der Deutschen Kreditwirtschaft. Bereits 2016 haben Volks- und Raiffeisenbanken, sowie die Sparkassen damit begonnen, auslaufende Karten gegen die kontaktlose Variante auszutauschen. Inzwischen haben auch andere Banken nachgezogen, wie z.B. DKB, ING, Comdirect, Commerzbank, Deutsche Bank, Targobank (V Pay kontaktlos) und die Spardabanken. Lediglich die Postbank bleibt als eine der wenigen alteingesessenen Privatkundeninstitute Außen vor. Hier haben Kunden aber die Möglichkeit, eine kontaktlose VISA Card zu erhalten.
Bei den Challengerbanken wie bspw. N26 und Fidor gehört kontaktlos ja schon seit Längerem zur Grundausstattung.
Somit kann man sagen, dass der Nutzung – zumindest im Inland – auf der Endkundenseite nichts mehr im Wege steht. Die ersten Effekte merkt man daher auch auf Seite der ausgebenden Institute sowie – natürlich – des Handels an der Kasse.
Mobile Payment
Der logische Nachfolger der NFC fähigen Bankkarte ist das Bezahlen mit dem Smartphone am POS. Nachdem in den letzten Jahren einige der Pioniere (Telekom myWallet, Vodafone Wallet etc.) ihre Dienste sang- und klanglos eingestellt haben, kann man 2018 getrost als das Jahr bezeichnen, in dem auf Anbieterseite die Nachrichten Schlag auf Schlag folgten.
Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken und Google Pay starteten im Sommer mit ihren Lösungen für Android Smartphones. Der Marktstart von Apple Pay steht auch in den nächsten Tagen bevor.
Einen kleinen Paukenschlag gab es, als PayPal in Zusammenarbeit mit Mastercard eine virtuelle Debitkarte für die Verwendung in Google Pay angekündigt hatte. Damit kommen nun auch alle die Kunden in den Genuss von Google Pay, die ihr Konto oder ihre Kreditkarte nicht bei einem der wenigen teilnehmenden Institute führen. Die Zahlungen werden jeweils als einzelne Lastschrift vom bei PayPal hinterlegten Girokonto eingezogen.
Akzeptanz im Handel und der Gastronomie
Was nützen aber kontaktlose Bankkarten und Mobile Payment-Lösungen, wenn sich auf der Akzeptanzseite nicht grundlegend etwas ändert. Hier hinkt Deutschland seinen Nachbarländern immer noch um Jahre hinterher. Ein Leben ohne Bargeld können sich daher die meisten Deutschen immer noch nicht vorstellen.
Neben der grundlegenden Skepsis gegenüber bargeldloser Zahlung spielen natürlich auch immer wieder die negativen Erfahrungen eine Rolle, die Kartenzahler am POS hierzulande immer noch machen müssen. Spontan ausgedachte Mindestumsätze, vorwurfsvolle Rückfragen ob man wirklich einen Betrag von nur x € mit Karte zahlen möchte oder EDEKA-Supermärkte mit einem Akzeptanzflickenteppich auf der einen und ganzen Branchen ohne Kartenakzeptanz auf der anderen Seite, lassen einem ein Leben ganz ohne Bargeld eher als ganz ganz weit entfernte Zukunftsvision erscheinen. Dazu muss man sich nicht einmal die vielen Angst erzeugenden Berichte über die Gefahren in den deutschen Medien antun.
Während man sich bei den seit Langem bestehenden Akzeptanzstellen immer noch mit den oben beschriebenen Problemen herumärgern muss, Allem voran natürlich den Mindestumsätzen, tat sich 2018 auf unerwarteten Terrains eine Menge.
Hat ein Brot 🥖 in einer mittelständischen Bäckerei mit Apple Pay bezahlt. An einem Sonntag. In Deutschland 🇩🇪! Die Hölle gefriert.
— Marc-Oliver Schaake (@real_mos) 11. November 2018
Immer mehr Bäckereien bieten inzwischen kontaktlose Zahlung an. Neben den großen Franchiseketten wie Kamps, BackWerk, LeCrobag & Co. ist das Thema mittlerweile auch bei den mittelständischen Betrieben in der Region angekommen. Auch wenn sich die Nutzung noch im niedrigen einstelligen Prozentbereich bewegt und der Wunsch nach Kartenzahlung bei umstehenden Kundinnen und Kunden noch vielfach für Kopfschütteln und Murren sorgt, so dürfte mittelfristig hier einer der wesentlichen Treiber liegen. Für viele Pendler gehört der morgendliche Coffee To Go und das belegte Brötchen für die Frühstückspause im Büro zum unumstößlichen Ritual. Selbst Barzahler sind häufig genervt, wenn sie ihr Wechselgeld in Kleinstmünzen erhalten. An der Stelle wird wirklich etwas gehen! Neben sichtbar montierten Terminals und Hinweisschildern sollte aber unbedingt noch die direkte Kundenansprache erfolgen!
Habt auch ihr eine Bäckerei mit Kartenakzeptanz entdeckt? Bitte hier melden und natürlich @baeckermitkarte auf Twitter folgen!
In vielen anderen Ländern ist es seit Langem üblich, Getränke in Diskotheken (die Älteren erinnern sich an dieses Wort sicherlich noch) und Clubs direkt an der Bar mit Karte zu bezahlen. Selbst das scheint es inzwischen vereinzelt möglich zu sein:
Leute! 👏 In einem ranzigen Club. 👏 Jägermeister Shot 👏mit Googlepay bezahlt 👏!
— Cpt. Krustenkäse (@CptKrustenkaese) 18. November 2018
Ausblick 2019
Der Start von Apple Pay wird sicherlich dem Thema Mobile Payment und Kartenzahlung allgemein weiter Auftrieb geben. Neben der vielfach kolportierten höheren Affinität von Apple Usern zu technologischen Neuerungen im Allgemeinen und Kartenzahlung im Besonderen, dürfte auch der Coolness-Faktor eine Rolle spielen. Mit dem Smartphone oder einer Smartwatch ist man immer noch in gewisser Weise ein Exot am deutsche POS. Die Deutsche Bank wirbt hier ja auch ganz gezielt mit der Einfachheit einer Apple Pay Zahlung.
Ich teile aber die Meinung vieler Expertinnen und Experten, dass die wirkliche Revolution woanders starten wird. Am POS gibt es heute einfach kein Bezahlproblem. Dort, wo die girocard heute schon funktioniert, wird sie auch genutzt. Und die meisten Deutschen haben aktuell auch noch kein wirkliches Problem mit Cash-Only Geschäften. Sonst wäre der Druck auf Händler und Gastronomen längst spürbarer.
Trotz aller Liebe zur Bargeld, mögen wir Deutschen es aber auch bequem. Davon zeugen auch die hohen Wachstumsraten, die bspw. die Deutsche Bahn beim Verkauf von Tickets über ihre App DB Navigator vermelden kann. In den letzten zwei Jahren ist die Anzahl der Tickets um fast 50% gestiegen.
Ähnliche Aussagen hört man auch von den Anbietern im ÖPNV mit ihren diversen Handyticket-Lösungen, Carsharing-Anbietern, Leihfarradaufstellern, Essens-Lieferdiensten (Foodora, pizza.de) und Taxi-Apps.
Nachdem McDonalds ihre Bestellterminals nachträglich noch mit der Option der Barzahlung am Tresen ausrüsten musste (Ergebnis: Drei Mal anstehen!), wird der nächste Entwicklungsschritt auf dem Weg zum Restaurant der Zukunft bereits getestet. Bestellen und Bezahlen per App. Egal, ob man sich dann sein Essen an den Tisch liefern lässt oder die vorbereitete Bestellung ab Drive-In Schalter abholt, die Bezahlung wird Teil des Bestellprozesses sein. In der aktuellen Version der App lassen sich Karten von Mastercard und VISA hinterlegen. Aber spätestens mit einer Integration von bspw. PayPal dürften auch hier die Dämme brechen.
Mit zunehmender Bedeutung von Apps im täglichen Konsumverhalten, gepaart mit bequemer bargeldloser Zahlung, dürfte auch die Neigung größer werden, am POS verstärkt bargeldlose Bezahlmethoden nachzufragen. Irgendwann tritt bei jedem Konsumenten der Fall ein, wo „Übersicht über die Finanzen“ in der Banking-App und nicht mehr im Scheinfach des Portemonnaies stattfinden wird.
Was fehlt
Einer der wesentlichen Treiber für die Akzeptanz kontaktloser Zahlungsmethoden in UK war bspw. der Nahverkehr in London. Die Möglichkeit, anstelle von Papierfahrkarten oder wiederaufladbarer Oyster-Card ganz einfach mit der Bank- oder Kreditkarte am Eingang zur Tube oder im Bus zu zahlen, wurde binnen kürzester Zeit zur Erfolgsstory. Leider erscheint so etwas in Deutschland derzeit noch unmöglich. Neben des zu erwartenden Shitstorms seitens der Bargeldlobby (besonders stark vertreten in der selbst ernannten „Zukunftspartei“ FDP) befinden sich alle in Frage kommenden Metropolen innerhalb von Verkehrsverbünden mit einheitlichem Tarifsystem und einbrechenden Verkehren, die durch lokale Busgesellschaften erbracht werden. Bis da eine Einigung bzgl. Tarife und einheitlicher Vertriebs- und Kontrolltechnik erzielt werden kann, sollte der BER eröffnet sein.
Und was ist jetzt mit dem Glühwein?
Selbst in Polen sind die Weihnachtsmärkte weitestgehend noch bargeldlastige Zonen. Währenddessen gibt es aber immerhin erste erfreuliche Entwicklungen diesbzgl. in Deutschland:
Auch wenn man, 20 Autominuten von der niederländischen Grenze entfernt, nur auf girocard setzt, so muss man das Engagement doch lobend erwähnen. Erste Berichte, die mich via Facebook ereilten, deuten aber auf eine verhaltene Nutzung hin. Das Terminal musste beim Bezahlversuch erst einmal gestartet werden…
Fazit
Es wird! Ich zitiere da mal den geschätzten Kartenpapst der Genossenschaftsbanken und Twitterer Matthias Hönisch (@m_hoenisch):
It’s a long way to Tipperary..
— Matthias Hönisch (@m_hoenisch) 10. Oktober 2018